"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Dienstag, 8. Mai 2018

Steinheim - das Lämmle & die Lovestory

Das Lämmle vom Gasthaus Lamm in Steinheim stand einst auf einer "Nase" an der Fassade des Gasthauses und ist vor etwa 55 Jahren verschwunden. Nach einem Beitrag zur Heimatkunde über Gasthäuser in Steinheim aus dem Jahr 2011 soll es in einem Marbacher Garten sein.


das Lamm vom Gasthaus Lamm

Vor ein paar Wochen ist das alte Lämmle in Marbach "entlaufen" und hat bei mir eine neue Heimat gefunden. Aber wie kommt das Steinheimer Lämmle in einen Marbacher Garten?
Die kleine Traude, Jahrgang 1928, kam mit ihrem Vater, dem Marbacher Sattler Oscar Hammer, per Fahrrad oft durch Steinheim und sie erfreute sich immer wieder an dem Anblick des Lämmle am Gasthaus Lamm gegenüber dem Rathaus. Vater Oscar musste vor dem Gasthaus anhalten, damit seine Traude bei jeder Fahrradtour "ihr Lämmle" bewundern konnte.

Inzwischen erwachsen geworden und jung verheiratet, kam Traude nach Steinheim und ihr geliebtes Lämmle stand nicht mehr auf seinem Platz. Sie war enttäuscht, das Lämmle aus Kindertagen nicht mehr anzutreffen. Ihrem jungen Ehemann Walter tat seine junge Frau so leid, dass er am Gasthaus klingelte um sich nach dem Verbleib des Wirtshausschildes zu erkundigen.
Eine Frau kam ans Fenster und rief herunter "mir hend gschlossa." - "Wo ist das Lämmle", wollte Traude wissen. Die alte Dame ging mit Traude und Walter in den rückwärtigen Stall und dort stand das Lämmle in einem Futtertrog. Die Freude über das Wiedersehen war riesengroß. Da der Gasthausbetrieb eingestellt war, aber immer wieder hungrige und durstige Leute im Gasthaus einkehren wollten und an der Haustüre klingelten, wurde das Lämmle entfernt. Walter erwarb das Lämmle und es fand bei ihm und Traude ein neues Zuhause.

Im Jahre 1966 wurde das Gasthaus Lamm wieder eröffnet, das alte Wirtshausschild war aber unauffindbar, ein neues Lämmle wurde am Gasthaus angebracht. Als wir 1967 die Konfirmation meines Bruders im Lammsaal feierten wusste ich noch nichts vom verschwundenen Lämmle. Einige Jahre später sah ich das Lämmle im Garten bei Traude und Walter. Die Künstlerin hatte ihr Leben lang Freude an ihrem Steinheimer Lämmle das jahrzehntelang über den Gartenteich hinweg in ihr Wohnzimmer blickte. Wir waren immer wieder fasziniert wenn Traude ganz theatralisch über die Sonntagsausflüge mit ihrem Vater und von ihrer Enttäuschung über das fehlende Lämmle erzählte, wie sie mit der früheren Lammwirtin in den Stall ging und wie sie sich freute als sie das Lämmle im Futtertrog entdeckte. Noch größer war ihre Freude als sie das Lämmle mit nach Hause nehmen durfte. 

In Steinheim wusste man, dass das alte Lämmle vom Lamm in einem Marbacher Garten steht. Aber wo genau wusste zum Glück niemand. Ich behielt dieses Geheimnis samt der „Lovestory“ für mich um zu verhindern, dass man Traude das Lämmle abschwätzte.
Im Oktober letzten Jahres ist Traude im Alter von 89 Jahren verstorben, bis zu ihrem Todestag waren sie und das Lämmle unzertrennlich, ihr geliebtes Lämmle aus Steinheim war über 50 Jahre lang immer in ihrer Nähe.


die Restauration beginnt

Das Lämmle hat einige Blessuren, das alte Bodenbrett muss ersetzt werden, die Muttern an den rostigen Schrauben sind nicht mehr zu öffnen, ein Huf ist beschädigt und die Beulen müssen aus dem Blech gezogen werden.


die Hufe werden restauriert



Der goldfarbene Anstrich sollte entfernt und das Lämmle vergoldet werden. Unter der Goldfarbe kam jetzt ein roter Anstrich hervor. War das Lämmle nicht golden sondern rot? Können sich alte Steinheimer noch an das Lämmle erinnern? Ich machte mich auf die Suche während das Lämmle auf dem Weg in eine Dorfschmiede war um an den Hufen  repariert zu werden. Zwei Steinheimer, Mitte 70, können sich noch gut an das Lämmle erinnern. Rot? Nein, rot war es nicht, eher grünlich-grau. Grünlich-grau? Vermutlich durch die Oxydation des Kupferkörpers. Einer der Informanten wohnte als Bub über der Gaststätte, seine Großeltern waren damals die Wirtsleute im Lamm, der Opa starb 1960, die Oma im Jahr 1964. Es war wohl seine Oma von der Traude das Lämmle bekommen hat.
Er erinnerte sich auch, dass immer mal wieder Post mit der Anschrift "Zum goldenen Lamm in Steinheim" ins Haus kam. Also war das Lämmle doch vergoldet!

Das Gasthaus Lamm hat seit 1598 eine Herbergskonzession. Wie alt das Wirtshausschild ist, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Es gibt noch eine etwa 200 Jahre alte Chronik in Privatbesitz. Die Recherche und Restauration geht also weiter.



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