"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Donnerstag, 31. Januar 2019

Geschichtsort HOTEL SILBER - Stuttgart

Im Jahr 2011 beschloss die grün-rote Landesregierung das Hotel Silber in der Stuttgarter Dorotheenstraße zu erhalten. Die fast 60 Jahre zuvor Regierenden der Christlich Demokratischen Union hätten das historische Gebäude anläßlich der Bebauungsplanung des Dorotheenquartiers am liebsten in die Luft gejagt. Ein unrühmliches Gebäude aus unserer dunklen Geschichte wäre verschwunden und heute stünde auf dem teuren Baugrund der Stuttgarter Innenstadt ein weiterer
Luxuseinkaufstempel den die Menschheit nicht wirklich braucht.

Anno 1873 erwirbt Heinrich Silber das Gasthaus "Zum bayrischen Hof" und erweitert es, die Oberpostdirektion zog 1919 ein, ab 1928 erfolgte die Nutzung durch das Polizeipräsidium und die Politische Polizei, ab 1933 war es die Zentrale der Politischen Polizei - 1936 umbenannt in Geheime Staatspolizei. Bei einem Luftangriff 1944 wurde das Gebäude teilweise zerstört. Nach Kriegsende hatte die Stuttgarter Kriminalpolizei dort ihren Sitz, später das Innenministerium und das Integrationsministerium.
Planungen zum Bauprojekt Dorotheenquartier sahen also den Abriss vor. Die hartnäckige Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber setzte sich für den Erhalt ein, daraufhin erfolgte 2011 der Beschluss zum Erhalt. Im November des vergangenen Jahres erfolgte die Eröffnung des Hotel Silber als Ort historisch-politischer Bildung und Zweigmuseum des Hauses der Geschichte.

Im Hauptquartier für den deutschen Südwesten hat die Gestapo bei ihren Verhören politische Gegner erniedrigt und gefoltert, vier Personen ermordet und den Abtransport tausender Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager organisiert. In dem unscheinbaren Verwaltungsbau fand tödliche Büroarbeit statt.
Wer sich in der Ausstellung mit der Vergangenheit auseinandersetzt wird wachsamer gegenüber ersten Signalen von menschenfeindlichem und totalitärem Gedankengut. Oder - wie der Stuttgarter Oberbürgermeister bei der Eröffnung betonte: Die Erinnerung kann verhindern, dass Verbrechen sich wiederholen.

Mein Großvater wurde 1943 von der Gestapo zum Verhör in das Hotel Silber abgeholt, verbrachte dort zwei oder drei Nächte. Es war mir deshalb ein Bedürfnis, das Haus zu besuchen, in dem er die schwärzesten Tage und Nächte erlebte.



.... ich begebe ich mich in den weiß getünchten Keller. Dort unten ist es ganz still, eine kleine Maueröffnung gibt den Blick frei auf eine von drei Zellen in denen die Festgenommenen auf das erste Verhör warten: rohe Wände und Gitter vor den Kellerfenstern. Ich bin allein im Keller, ich schließe meine Augen, die Sinne konzentrieren sich auf die Stille mitten in der Großstadt und den modrigen Geruch der immer stärker wird, Bilder meines Opas ziehen vorüber, der modrige Geruch wird noch stärker und ich sehe immer noch Bilder meines Opas und ich frage: welche Qualen hast du hier erlitten.... hättest du bei deinem Arbeitgeber damals anders reagiert, wenn du gewusst hättest was dir in diesem Keller widerfährt und du anschließend an die Front geschickt wirst, obwohl du aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt gewesen bist .... mir läuft es eiskalt über den Rücken.... fünfzig Jahre nach seinem Tod bin ich ihm hier ganz nahe.... hätte ich einen Wunsch frei, würde ich mir wünschen, dass wir uns über diese schwarzen Tage und Nächte unterhalten könnten... !
Ich bin stolz auf dich. Stolz darauf, dass du Rückgrat gezeigt hast. Du hast dich nie verbiegen lassen, auch dann nicht als der frühere Ortsgruppenleiter im Dorf "Persilscheine" unterschreiben ließ um bei der Entnazifizierung eine mildere Strafe zu bekommen. Das Studium seiner Verfahrensakte der Spruchkammer im Landesarchiv war sehr aufschlussreich, unglaublich wer sich in unserem Dorf als "Wendehals" hervortat.... der 'Herr Ortsgruppenleiter' hätte künftig ja wieder das Sagen haben können und man wollte nicht auf der falschen Seite sein.... 

Einen Tag nach meinem Museumsbesuch und 6,5 Wochen nach der Eröffnung wurde der 10.000ste Gast  im Hotel Silber begrüßt.




.  M  .

Mittwoch, 2. Januar 2019

Hexenturm Möckmühl 1656 - Sechsundzwanzig Wochen in Ketten

Anna Maria Kayser (1626 - 1703) geborene Johannes, meine 9-fache Urgroßmutter aus Möckmühl, wurde 1656 der Hexerei bezichtigt.
Hexenjagden gab es in dieser Zeit weltweit. Eine Beschuldigung, sei es aus Missgunst oder Wichtigtuerei, wurde von der Obrigkeit sehr ernst genommen und es gab kaum ein Entrinnen. Legten die Beschuldigten kein Geständnis ab, wurde sie inhaftiert und gefoltert um den Beschuldigten dadurch eine Geständnis abzuringen. Denn erst nach dem Geständnis durfte eine "Hexe" auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.


Zeitgenössische Darstellung einer Hexenverbrennung

Während andere der Hexerei beschuldigten Frauen in Möckmühl der Folter nicht standhalten konnten, ein Geständnis ablegten, zum Tode verurteilt und verbrannt wurden, flehte Anna Maria Gott um Hilfe an. Sie betete dass Gott die Wahrheit ans Licht bringen würde. Sie tröstete sich mit Gottes Wort, ihr Gesang ging zu Herzen. 
Während der 26-wöchigen Inhaftierung in Eisenketten hatte sie nur ihre Bibel und ihr Gebetbuch bei sich. Die Richter konnten ihr kein Unrecht nachweisen, bei der Freilassung forderten sie eine Gebühr von 100 Gulden, die sie als Unkosten deklarierten. Diese Forderung war nicht legal, aber ihr Ehemann hatte keine andere Möglichkeit als zu zahlen um seine Frau aus dem Hexenturm frei zu bekommen. Anna Maria musste schwören, sich nicht zu rächen. - Sie hatte von den bis zu 3 Stunden dauernden Folterungen Narben, die sie lebenslang an diese Tortur erinnerten. 

Carl Sebastian (*1726), der Urenkel von Anna Maria und Kilian Kayser ist 1749 nach Philadelphia ausgewandert. Er war, wie auch sein Vater und sein Urgroßvater Kilian, Metzger von Beruf. 
Herzlichen Dank an seine Nachfahren aus den USA, die über ihre Vorfahren aus Möckmühl recherchiert haben und "The story of Kilian Kayser and Anna Maria" geschrieben haben.

Mein Vorfahre, der älteste Sohn Johann Cunrad (*1654), erlernte ebenfalls das Metzgerhandwerk. Die nachfolgenden Generationen waren Handelsleute und Lebküchner.  



.  M  .