"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Montag, 15. April 2019

Wegen Trunksucht des Pfarrers - Kirchenbücher unvollständig & vernichtet

Im Jahr 1435 wies der Konstanzer Bischof Friedrich III. von Zollern an, dass Kirchenbücher zu führen seien. Allerdings hielt sich kaum eine Kirche an diese Anweisung. 
Der am 11. November 1563 beim Konzil in Trient verordnete Erlass ordnete an, dass von nun an Eheregister und im diesem Zusammenhang auch Taufbücher geführt werden müssen. 1614 im „Rituale Romanum“ wurden erste Schritte zur Führung von Sterbebüchern festgelegt, allerdings ohne verpflichtenden Charakter für die Kirchen.
In den Gebieten wo die Reformation (zwischen 1517 und 1648) zur Spaltung der Kirchen führte, wurden seit Beginn Kirchenbücher geführt. In den anderen Gebieten dauerte es zum Teil noch etwa 50 Jahre bis jede Kirche Tauf-, Trau- und Sterbebücher führte. Leider gingen jedoch viele der bis dahin geführten Bücher während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) verloren,  sodass es in einer Vielzahl von Kirchen erst ab Ende des Krieges kontinuierliche Aufzeichnungen gibt.
Die Franzosen brannten 1693 die Stadt Marbach nieder, dabei gingen alle Kirchenbücher verloren. Auch im benachbarten Murr fielen in diesem Sommer die Kirchenbücher in die Hände der Franzosen, während in Pleidelsheim, wo die Franzosen lagerten, die Kirchenbücher unversehrt blieben. In Pleidelsheim beginnt das Kirchenbuch im Jahre 1581 zur Freude der Ahnenforscher. 
Auch in Steinheim gelangten 1693 die Bücher in die Hände der Franzosen, die sie zerrissen und auf einen Misthaufen warfen. Der Pfarrer war mit seiner Familie Richtung Schwäbisch Hall geflüchtet, ein zurückgebliebener Bürger hat das Buch wieder zusammengesetzt. Das Kirchenbuch hat gelitten, einige Seiten sind kaum lesbar und es ist vermerkt: 'Dem Leser oder denen, so hieran gelegen dienet zur Nachricht, daß aus diesem Ehebuch 6 Blätter durch die Franzosen sind ausgerissen, und verloren worden. Gleichwohl aber aus dem Proclamationsbüchlein , so noch in meinem s.h. Schweinestall gefunden worden, so viel finden können daß proclamiert und folglich copuliert sind worden.' - Bereits1634 zogen feindliche Truppen durch Steinheim und legten Feuer in der Kirche, die bis dahin geführten Bücher sind dem Brand zum Opfer gefallen.
Der Geburtstag von Katharina Rait aus Poppenweiler konnte nur in etwa ermittelt werden, im Sterbebuch wurde an ihrem Todestag 28. August 1717 vermerkt: '72 Jahre weniger 4 Wochen', weil die Geburtsjahre 1642 1646 im Mischbuch der damals zuständigen Pfarrei Oßweil fehlen. 
Und der Todeseintrag meiner Vorfahrin Margarethe Seitz (*1608) wurde überhaupt nicht vorgenommen, denn 'Ehe- und Totenbuch Asperg wurden von 1646-60 wegen Trunksucht des Pfarrers nicht geführt'.


Asperg anno 1682
aus dem Forstlagerbuch von Andreas Kieser


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Großbottwar - Herzog Carl Eugen und die Bäckerei Weigle

Es schlug fast wie eine Bombe ein, als zu Jahresbeginn die Schließung der Bäckerei Weigle in Großbottwar angekündigt wurde. Der Familienbetrieb ließ nach mehr als 300 Jahren den Backofen ausgehen. Auf der Webseite der Weigles stand "seit 1715 Ihr Bäcker Weigle".
Familie Weigle ließ die Besucher ihrer Webseite einen Blick in die Familienchronik werfen. Der schwäbische Sonnenkönig, Tyrann, Verschwender und Modernisierer Herzog Carl Eugen (1728 - 1793) war Kunde in der Bäckerei Weigle wenn er auf die Jagd zum Sternwald (heute: Kälbling) ging.
So ist überliefert, dass Johann Carl Weigle am 5. Dezember 1752 um 6 Uhr morgens vor der Treibjagd im "Schäferhölzle" zwei Dutzend Äpfel-, Speck- und dicke Salzkuchen den hohen Herrschaften liefern musste.


Großbottwar anno 1686
aus dem Forstlagerbuch von Andreas Kieser

Der "Beck" Johann Georg Weigle (1741 - 1793), Enkel des Firmengründers Jacob Weigle, heiratete im Jahr 1763 die ebenfalls aus Großbottwar stammende Anna Maria Laitenberger (1742 - 1812).
Anna Marias Eltern, Johann Jacob Laitenberger und Margarethe Acker, sind meine 6-fachen Urgroßeltern. Johann Jacob war in jungen Jahren Grenadier im württembergischen Leib-Grenadier-Bataillon, später Weingärtner und Viertelsmeister in Großbottwar.
Viertelsmeister waren Helfer der Exekutive und Judikative. Es waren angesehene, gewählte Persönlichkeiten, die über lokale Orts- und Bürgerkenntnisse verfügten, um in Stadt- oder Landvierteln Aufgaben wie die Unterstützung bei Wahlen oder polizeiliche Aufgaben übernahmen.


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Herrschaftlicher Weingärtner auf Wildeck


Burg Wildeck anno 1686
aus dem Forstlagerbuch Andreas Kieser

Burg Wildeck ist eine Spornburg oberhalb von Abstatt am Rande der Löwensteiner Berge. Die Burg wurde vermutlich im hohen Mittelalter von den Herren von Heinriet erbaut und kam 1492 an Ludwig, Stammvater der dritten Linie der Grafen von Löwenstein, die dort nachweislich schon im 16.Jahrhundert Weinbau betrieben haben. 1933 kam die Burg mit den umgebenden Weinbergen an den württembergischen Staat. Seit 1940 befindet sich in der vielfach umgebauten Burg ein Versuchsgut der Weinbauschule in Weinsberg, die dort die Sorten Samtrot und Dornfelder züchtet.

Obwohl ich nur 15 Kilometer von der Burg entfernt wohne, kenne ich sie nur aus der Ferne. Ich fahre westlich und östlich an der Burg vorbei, doch gestern machte ich mich auf den Weg über Beilstein und weiter über die kleinen Landstraßen nach Söhlbach und Helfenberg an den Fuß der Burg. Zwischen Weinbergen machte ich mich auf dem Privatweg zu Fuß auf zur Burg. Herrliche Blicke gehen über die Weinberge und Felder bis zur Burgruine Helfenberg und zu den bewaldeten Löwensteiner Bergen. Man meint, in eine längst vergessene Welt einzutauchen, aber der Blick nach Westen bringt einen in die Realität zurück, denn dort entstand das große Firmengelände Robert Bosch GmbH Chassis Systems Control und Bosch Engineering GmbH: High Tech und das hohe Mittelalter dicht beisammen.

Einst war mein 7-facher Urgroßvater Georg Feik, geboren um 1690, herrschaftlicher Weingärtner zu Wildeck. So wurde es im Ehebuch von Abstatt eingetragen als seine Tochter Catharina 1741 den Witwer und Gerichtsverwandten Johannes Rörich geheiratet hat. – Die Herkunft der Familie Feik ist unklar, da die Einträge in den Kirchenbüchern nicht genau entziffert werden können. Möglicherweise stammt sie aus Sulzbach bei Murrhardt, naheliegend ist aber auch das Dorf Sülzbach in der Nähe von Wildeck. Fest steht aber, dass er auf Burg Wildeck als Weingärtner gearbeitet hat.




Noch ist es kalt, aber an den Reben sprießen bereits die ersten Knospen und noch ist es ein langer Weg bis die diesjährige Weinernte in Flaschen abgefüllt ist. Aber ich mache mich jetzt auf die Suche nach einer Flasche Wein aus den Weinbergen von Burg Wildeck wo vor 300 Jahren mein Vorfahre Georg Feik in den Weinbergen gearbeitet hat.


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Sonntag, 7. April 2019

Russland - Ostern 1942

Das Osterfest fiel 1942 auf den 5. und 6. April. Vor zwei Tagen, genau 77 Jahre nach dem Ostersonntag 1942, erhielt ich ein Original-Tagebuch eines unbekannten deutschen Soldaten.

5. April 1942
Der Feind hat uns über Ostern reichlich Ostereier in Form von Fliegerbomben übermittelt. Seit zwei Wochen geht jeder mit Decken und Gewehr in den Wald um in Bunkern zu übernachten.
6. April 1942
Bunkerbau für die Auswertung im Wald von Korkino.

Das Tagebuch beginnt am 1. Oktober 1940 in Lisieux, Nordfrankreich mit dem Eintrag: vormittags Arbeitsdienst, nachmittags Fahrt nach Lisieux. – Die Zeit in Frankreich liest sich nach der Eroberung ganz "gechillt": Übung, Arbeitsdienst, Unterricht, Fußdienst, Auswertungsunterricht, Singen, Sport, Theaterbesuch, Sport, dienstfrei - Fahrt nach L'Aigle, Geländedienst, Weihnachtsfeier, gemeinsames Kaffeetrinken, Fahrt nach L'Aigle zum Kino, Silvesterfeier, schießen, Waffen reinigen, Kirchgang. Ab 24. Januar 1941 gab es 3 Wochen Heimaturlaub.
Wenige Tage nach seiner Rückkehr wurden am 27. Februar 1941 die Fahrzeuge verladen und die Fahrt ging über Belgien, Holland, Deutschland, durch Polen über Vilnius nach Witebsk (Belarus).
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli erfolgte ein Fliegerangriff: 4 Wagen und 3 andere Fahrzeuge von unserer Abteilung beschädigt, von meinem Wagen die Windschutzscheibe zersplittert. Ich saß noch im Führerhaus, zum Glück niemand verletzt, dauernd auf Umwegen gefahren. Der Fliegerangriff erfolgte etwa 10 km von Witebsk.

In seinem Tagebuch bewahrte der 'unbekannte Soldat' einen Zeitungsausschnitt mit dem international bekannten Soldatenlied 'Lili Marleen', auf. 


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