"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Donnerstag, 26. Juli 2018

Melchior Fuchs - Stadtbrand Marbach 1693

Als sich während des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688 - 1697) französische Truppen Ende Juli 1693 der Stadt Marbach näherten, flüchteten viele Bewohner. Die Franzosen rückten in die unverteidigte Stadt ein, plünderten, misshandelten und ermordeten die nicht geflohenen Bewohner. Die Stadt wurde an mehreren Stellen angezündet und brannte nahezu vollständig ab. Die Alexanderkirche und wenige, meist außerhalb der Stadtmauern gelegene Gebäude überstanden die Zerstörung.


anno 1686 - Marbach vor dem Stadtbrand
Forstlagerbuch Andreas Kieser

Besonders tragisch sind die Todesumstände von Melchior Fuchs, Bruder meines Vorfahren Hippolyt "Pältin" Fuchs (1623 - 1694), der von seiner Familie bereits auf den Wagen gesetzt worden war, aber wieder "davon heruntergetan und zurückgelassen" wurde.
Möglicherweise wegen seines Alters, möglicherweise war Melchior Fuchs schwer erkrankt. Damals ging eine Seuche, "die Kopfkrankheit" um, welche die Erkrankten derart schwächte, dass sie wochenlang ans Bett gefesselt waren und nicht einmal "den Kopf heben konnten". Einige Marbacher starben an der Seuche.
Die Hoffnung, der Feind werde den zurückgelassenen Kranken nichts tun, erfüllte sich nicht. Sie wurden teilweise grausam mißhandelt. Als am Abend des 28. Juli 1693 die Stadt brannte, versuchte Melchior Fuchs, aus dem Haus auf die Gasse zu kommen. Die zurückgekehrten Bürger fanden seine Leiche in der Strohgasse liegend, beim geistlichen Verwaltungskeller und den Häusern - besser gesagt, den Ruinen der Häuser - von Johann Christoph Hemminger und Johann Kodweiß. Melchior Fuchs war verbrannt.
Einige der Geflohenen kehrten nicht wieder zurück, von den übrigen erlebten etliche den darauffolgenden Winter nicht, da neben den Häusern auch die Vorräte vernichtet worden waren. Auch Hippolyt "Pältin" Fuchs starb an den Strapazen der Flucht und dem Hungerwinter. Nach 1.478 Einwohnern im Jahr 1692 wurden 1695 in Marbach nur noch 609 gezählt.



Dienstag, 10. Juli 2018

Ludwigsburg - Rückkehr der vergessenen Namen

Mit dem Artikel Rückkehr der vergessenen Namen kündigt die Ludwigsburger Kreiszeitung die nächste Stolpersteinverlegung in der Kreisstadt an. Die sechs neuen Stolpersteine erinnern an Menschen aus Ludwigsburg, die 1940 aufgrund ihres Gesundheitszustandes in Grafeneck grausam ermordet wurden.
Für Lina Peukert, Julius Weber, Mathilde Spindler, Pauline Schenk, Karl Merkle und Richard Wagner werden am kommenden Donnerstag an ihrem letzten frei gewählten Wohnort Stolpersteine verlegt. In Ludwigsburg liegen dann über 60 Stolpersteine.

Julius Weber und Karl Merkle fuhren mit unserem Opa Adolf und weiteren 72 Männern am 16. Juli 1940 mit den grauen Bussen von der Heilanstalt Weinsberg in die Tötungsanstalt Grafeneck und wurden dort noch am selben Tag grausam ermordet. Vor der Kirche der Heilanstalt Weinsberg - Klinik am Weissenhof für Psychiatrie erinnert ein Gedenkstein an die 908 Patienten die in die Tötungsanstalten der Aktion T4 nach Grafeneck und Hadamar deportiert wurden.


Im Gedenken der 908 Kranken die 1940/41 von den
Nationalsozialisten ermordet wurden

Auf der Webseite der Initiative Stolpersteine Ludwigsburg gibt es einen Flyer über die Veranstaltung mit den Lebensgeschichten der sechs Opfer an die nun gedacht wird. In einem würdevollen Rahmen werden die Lebensgeschichten der Ermordeten erzählt und die Gedenkfeiern werden musikalisch begleitet. - Mit meiner Familie nehme ich an den Gedenkfeiern teil.

"Euthanasie": kaum ein Begriff ist so zynisch pervertiert worden wie dieser. Der "gute Tod", seit dem Nationalsozialismus ist er euphemistisches Synonym für hunderttausendfachen Mord. Schätzungen zufolge starben 300.000 Psychiatriepatientinnen und -patienten durch Gas, Hunger oder Vergiftung, als erste Gruppe der bedrohten Minderheiten wurden diese Menschen Opfer des NS-Regimes und seiner Helfer. Die Tatsachen sind bekannt, doch - vielleicht liegt es am Stigma Psychiatrie - erinnert man sich ihrer öffentlich selten und selbst in der eigenen Familie nicht immer gerne. 
"Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst", dieser Satz trifft in besonderer Weise auf die Opfer der NS-Euthanasie zu, denn obwohl sich in der wissenschaftlichen Forschung seit
Beginn der 1990er Jahre ein verstärktes Interesse an den Opfern selbst und nicht nur an den Tätern und ihren Motiven abzeichnet, finden die psychisch kranken und geistig behinderten Menschen in der öffentlichen Diskussion der nationalsozialistischen Verbrechen kaum Beachtung.

Als ich per Zufall das grausame Schicksal meines Schwiegeropas entdeckte, überlegten wir uns wie wir damit umgehen. Übereinstimmend kamen wir ganz schnell zu dem Ergebnis, dass wir offensiv damit umgehen, denn viel zu lange wurde über den Opa geschwiegen. Und heute, fünf Jahre nach der Entdeckung, stehen wir immer noch voll hinter dieser Entscheidung, auch wenn von Irgendwoher der Einwand kommt, man solle nicht so viel darüber reden oder die anderen 6 Enkel ihren Opa weiterhin verschweigen. 




Montag, 2. Juli 2018

Familie Bauer aus Steinheim - Auswanderung

Johann Jacob Bauer (1838-1917), Kind einer zwölfköpfigen Familie aus Steinheim, wanderte mit seiner Frau Katharina Barbara Albrecht (1841-1924) und vier Kindern im Alter von 14, 12, 9 und 3 Jahren nach Amerika aus. Sie erreichten ihr Zielland Kansas vermutlich nicht mehr mit einem der großen Trecks, sondern schon mit der Eisenbahn. Sie ließen sich in einem Landstrich nieder, der einstmals Indianervölkern den Kiowa, Cheyenne oder Ponca gehörte. Riesige Büffelherden zogen noch durch das Land und Dodge City wurde zur Cowboy-Stadt, die u. a. von den Revolverhelden Wyatt Earp und Doc Holliday besucht wurde. In Clay County konnte die Familie 320 acre Land erwerben (ca. 15 ha, 1 acre entspricht ca. 4047m2). Sein Sohn Wilhelm Jacob Bauer übernahm das Land nach dem Tod des Vaters und konnte weitere vier Farmflächen mit je 160 acres hinzukaufen. Unter äußerst schwierigen Bedingungen – sehr kalte Winter, heiße, trockene Sommer mit vielen Tornados – machten sie das Land urbar und wurden sesshaft. - Viele derer, die es ebenfalls versucht hatten, Schätzungen liegen bei 60%, mussten ihre hoffnungsvollen Pläne aufgeben.




Katharina Barbara und Johann Jacob Bauer