"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Dienstag, 10. Juli 2018

Ludwigsburg - Rückkehr der vergessenen Namen

Mit dem Artikel Rückkehr der vergessenen Namen kündigt die Ludwigsburger Kreiszeitung die nächste Stolpersteinverlegung in der Kreisstadt an. Die sechs neuen Stolpersteine erinnern an Menschen aus Ludwigsburg, die 1940 aufgrund ihres Gesundheitszustandes in Grafeneck grausam ermordet wurden.
Für Lina Peukert, Julius Weber, Mathilde Spindler, Pauline Schenk, Karl Merkle und Richard Wagner werden am kommenden Donnerstag an ihrem letzten frei gewählten Wohnort Stolpersteine verlegt. In Ludwigsburg liegen dann über 60 Stolpersteine.

Julius Weber und Karl Merkle fuhren mit unserem Opa Adolf und weiteren 72 Männern am 16. Juli 1940 mit den grauen Bussen von der Heilanstalt Weinsberg in die Tötungsanstalt Grafeneck und wurden dort noch am selben Tag grausam ermordet. Vor der Kirche der Heilanstalt Weinsberg - Klinik am Weissenhof für Psychiatrie erinnert ein Gedenkstein an die 908 Patienten die in die Tötungsanstalten der Aktion T4 nach Grafeneck und Hadamar deportiert wurden.


Im Gedenken der 908 Kranken die 1940/41 von den
Nationalsozialisten ermordet wurden

Auf der Webseite der Initiative Stolpersteine Ludwigsburg gibt es einen Flyer über die Veranstaltung mit den Lebensgeschichten der sechs Opfer an die nun gedacht wird. In einem würdevollen Rahmen werden die Lebensgeschichten der Ermordeten erzählt und die Gedenkfeiern werden musikalisch begleitet. - Mit meiner Familie nehme ich an den Gedenkfeiern teil.

"Euthanasie": kaum ein Begriff ist so zynisch pervertiert worden wie dieser. Der "gute Tod", seit dem Nationalsozialismus ist er euphemistisches Synonym für hunderttausendfachen Mord. Schätzungen zufolge starben 300.000 Psychiatriepatientinnen und -patienten durch Gas, Hunger oder Vergiftung, als erste Gruppe der bedrohten Minderheiten wurden diese Menschen Opfer des NS-Regimes und seiner Helfer. Die Tatsachen sind bekannt, doch - vielleicht liegt es am Stigma Psychiatrie - erinnert man sich ihrer öffentlich selten und selbst in der eigenen Familie nicht immer gerne. 
"Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst", dieser Satz trifft in besonderer Weise auf die Opfer der NS-Euthanasie zu, denn obwohl sich in der wissenschaftlichen Forschung seit
Beginn der 1990er Jahre ein verstärktes Interesse an den Opfern selbst und nicht nur an den Tätern und ihren Motiven abzeichnet, finden die psychisch kranken und geistig behinderten Menschen in der öffentlichen Diskussion der nationalsozialistischen Verbrechen kaum Beachtung.

Als ich per Zufall das grausame Schicksal meines Schwiegeropas entdeckte, überlegten wir uns wie wir damit umgehen. Übereinstimmend kamen wir ganz schnell zu dem Ergebnis, dass wir offensiv damit umgehen, denn viel zu lange wurde über den Opa geschwiegen. Und heute, fünf Jahre nach der Entdeckung, stehen wir immer noch voll hinter dieser Entscheidung, auch wenn von Irgendwoher der Einwand kommt, man solle nicht so viel darüber reden oder die anderen 6 Enkel ihren Opa weiterhin verschweigen. 




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