"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Freitag, 4. September 2020

Elly Heuss-Knapp & Valentin Halbmayer

Elisabeth Eleonore Anna Justine Knapp (1881 Straßburg - 1952 Bonn), bekannter unter dem Namen Elly Heuss-Knapp, war die Ehefrau von Theodor Heuss, dem ersten Bundespräsidenten (1949 - 1959) der Bundesrepublik Deutschland.

Elly Knapp legte 1899 ihr Lehrerinnenexamen ab, studierte Volkswirtschaft, hielt politische Vorträge und revolutionierte die Radiowerbung. Sie wurde 1946 Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg und sie war Gründerin des Deutschen Müttergenesungswerkes.
Und das in einer Zeit als Frauen in Deutschland kein Wahlrecht hatten und es Frauen auch nicht erlaubt war ohne Zustimmung des Ehemannes arbeiten zu gehen oder ein Bankkonto zu eröffnen. Erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen. 


Elly Knapp anno 1904

Mit Elly Heuss-Knapp habe ich nicht nur denselben Geburtstag, wir haben auch gemeinsame Vorfahren. Ihr 6-facher Urgroßvater Carl Valentin Halbmayer (* um 1606 † 1672) ist mein 8-facher Urgroßvater. Er war Stadthauptmann (-kapitän) und Wirt "Zum Schwarzen Bären" in Stuttgart. Geboren sind die älteren Kinder in Unterschwandorf bei Calw.



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Samstag, 11. Juli 2020

Fahr mal hin - Eberbach am Neckar

Wir bleiben wegen den Corona-Reise-Einschränkungen diesen Sommer im Ländle und erkunden unser Bundesland Baden-Württemberg. Genießen unterwegs die ess- und trinkbaren "Schätze" unseres Landes. Mit Registrierung und "gesetzlichem" Abstand zu andern Gästen löscht ein kühles Bier oder ein Gläschen Wein in einer Gartenwirtschaft den Durst.


Kenner trinken Württemberger
Samtrot Rosé, ein "Schätzchen" von den Hessigheimer Felsengärten

Die Sommertour begann bereits in Eberbach am Neckar. Das Städtchen wurde mit seiner Viktoria-
Torte weltberühmt. Anno 1958 rollte die Begum Aga Khan im Rolls Royce am Neckar entlang zum
damaligen Kurhaus. Sie schrieb sich auch in das Goldene Buch ein. Die dreifache Olympiasiegerin im Skirennlauf, Katja Seizinger, ist in Eberbach aufgewachsen.



Café Victoria in Eberbach

In den vergangenen Jahrhunderten verließen viele Eberbacher ihre Heimat und wanderten nach Nordamerika aus. Der berühmteste Auswanderer ist der Bäckermeister Konrad Beisel, dessen Familie heute noch eine Bäckerei mit Blick auf den Neckar betreibt.
Conrad Beissel, wie er sich später nannte, wanderte 1720 nach Pennsylvania aus und gründete im gelobten Land der religiösen Toleranz das Kloster Ephrata. Auf der History-Seite von Eberbach finde ich zu meiner Überraschung den Enkel meines 9-fachen Urgroßvaters Jacob Weiser (*um 1625), Schultheiß in Großaspach:
"Der Württemberger Conrad Weiser (1696-1760) kam schon als Jugendlicher nach Pennsylvania und wuchs eine Zeit lang beim Stamm der Mohawk aus dem Volk der Irokesen auf. Später war er Farmer, Soldat, Dolmetscher und geschätzter Diplomat in indianischen Angelegenheiten. In den Jahren 1735 bis 1743 lebte er als Bruder Enoch unter den Hausleuten in Ephrata."

Eberbacher Auswanderer gründeten zur Zeit des Eisenbahnbaus die Stadt Hebron in North Dakota. Sie warben in ihrer Heimat erfolgreich für das 'gelobte Land' an der kanadischen Grenze. Es folgten u.a. die Familien Krauth und Conrath.


der Eberbacher Eber auf dem Brotlaib der Bäckerei Beisel

Die Krauths und die Conraths waren der eigentliche Anlass nach Eberbach zu fahren und dort das Stadtarchiv zu besuchen. Der Uhrmacher Leonhard Krauth (1805 Eberbach - 1880 Sindelfingen) wird mich weiterhin beschäftigen. Zeitgleich macht sich ein Schriftsteller aus New York mit der Familie Conrath ans Werk. Für das Geschichtsblatt 2021 der Stadt Eberbach werden wir zwei Beiträge über die Familie Leonhard Krauth und über den Künstler Ted Conrath und seine Vorfahren schreiben. 


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Dienstag, 7. Juli 2020

Diese Zelle ist ein Loch - Lina Haag

Auf meinem Weg vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart ins Dorotheenquartier komme ich am Hotel Silber vorbei, das ganz knapp dem Abriss zugunsten eines Einkaufs- und Wohnviertels im Herzen der Stadt Stuttgart entgangen ist.
Ich habe die ehemalige Gestapo-Zentrale bereits nach der Eröffnung im Dezember 2018 besucht. Meine Schritte werden auch heute wieder langsamer je näher ich dem Eingang komme. Ich stemme die schwere Türe auf, gehe schnurstracks durch das Entrée, den langen Flur Richtung Treppenhaus entlang und hinunter in den Keller. Auch heute bin ich wieder alleine im Kellergeschoss, wo einst Festgenommene auf das Verhör durch die Geheime Staatspolizei gewartet haben.



ehemalige Verwahrzellen im Keller des Hotel Silber





diese Zeilen sind von Lina Haag, entnommen aus ihrem Buch
Eine Hand voll Staub - Widerstand einer Frau 1933 - 1945

Ihr Buch zeugt vom Widerstandswillen einer Einzelnen und ist aber auch eine Liebesgeschichte ganz eigener Art. In Form eines Briefes hat Lina Haag 1944 ihre Erinnerungen an die Zeit ab 1933 festgehalten. Es ist die Lebensgeschichte einer mutigen Frau, Kommunistin und verheiratet mit dem Journalisten Alfred Haag (1904-1982), der 1930 als jüngster KPD-Abgeordneter in den Stuttgarter Landtag gewählt worden war. 1933 wurde Alfred Haag von den Nationalsozialisten verhaftet. Aus dem KZ Oberer Kuhberg bei Ulm kam er 1935 nach Dachau und von dort ins berüchtigte KZ Mauthausen. Lina Haag wurde ebenfalls jahrelang in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern festgehalten und gepeinigt. Nach ihrer Freilassung schaffte sie es mit dem Mut der Verzweiflung zu Heinrich Himmler vorzudringen, dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, um dort für die Freilassung ihres Mannes zu kämpfen. Sie hatte Erfolg - doch wurde ihr Mann nach der Freilassung zur "Bewährung" an die Ostfront geschickt. Er kehrte erst 1948 aus einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager zurück. 

1947 wurde "Eine Hand voll Staub" als eines der ersten Dokumente des Widerstandes veröffentlicht.

Die letzte Auflage ist aus dem Jahre 2004. Die Generation der Zeitzeugen stirbt und die Erinnerungskultur wird sich verändern. Gerade deshalb empfehle ich jungen Menschen dieses Buch zu lesen. Lina Haags Leben fasziniert, berührt und fesselt zu gleich. Es wäre ein Verlust dieses Buch nicht zu lesen!



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Mittwoch, 1. Juli 2020

Medizin der Schwaben - Eau de Vie

der liebe Gott 
hat nicht gewollt
dass edles Obst
verderben sollt
drum hat er uns
um gut zu leben
den Schnaps als
Medizin
gegeben


Und genau deshalb lassen wir, wie viele Generationen im Schwabenland zuvor, das edle Obst nicht verderben. Vater und Onkel die wir hätten fragen können sind verstorben, so mussten wir uns selbst mit der Materie beschäftigen und experimentieren. Was aus den edlen Äpfeln wurde, kann sich durchaus sehen bzw. trinken lassen. 



eine große Apfelernte kündigt sich an ... 


Ein alter Stuttgarter Schwob nannte die Hochprozentigen "eingefangener Sonnenschein", eine doch sehr positive Umschreibung des eher negativen besetzten Wortes 'Schnaps'. Schnaps wird eher mit Alkoholiker anstatt mit Genuss in Verbindung gebracht. Der Franzose nennt den eingefangenen Sonnenschein 'Eau de Vie', wörtlich übersetzt: Lebenswasser. Rein sprachlich hört sich auch das 'Feuerwasser' aus der Wildwestliteratur weitaus besser an als das ordinäre Wort 'Schnaps'. 


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Service des Prisonniers de Guerre - Kriegsgefangenenpost

Vor 6 Jahren machte ich mich auf die Suche nach den Vorfahren eines Freundes. Am Ende der Recherche entstand eine interessante und sehr weit zurückreichende Familiengeschichte. Zwischen Gebetbuch und Familienfotos, die er mir für die Familiengeschichte zur Verfügung gestellt hat, war auch der Totenzettel seines Großvaters Hermann: “gestorben anfangs August 1944 im Lazarett in Russland" - er wurde nur 31 Jahre alt, hinterließ Eltern, eine junge Ehefrau und zwei kleine Kinder. Wo er bestattet wurde war nicht bekannt.

Das Schicksal von Opa Hermann ließ mich nicht los  - gestorben im Lazarett in Russland - durfte so nicht stehen bleiben. Die Onlinesuche beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge war erfolglos und das Auskunftsbüro in Moskau existierte nicht mehr.
Ich stellte einen Suchantrag beim Deutschen Roten Kreuz in München. Wo sonst eine Briefmarke klebt, war der große Briefumschlag mit der Antwort gestempelt:

SERVICE DES PRISONNIERS DE GUERRE - KRIEGSGEFANGENENPOST GEBÜHRENFREI 

Der Brief enthielt Karteikarten aus dem Frontaufnahmelager und aus dem Lazarett. Die Kriegsgefangenenakte besteht aus einem Fragebogen des russischen Innenministeriums über die persönlichen Daten, über die Familie, die soziale Herkunft,Besitzstand der Eltern, Besitzstand des Kriegsgefangenen, schulische Bildung, berufliche Kenntnisse, Militärausbildung, Dienstgrad, Dienststelle, Fremdsprachenkenntnisse, Verwandtschaft in der UdSSR, Gerichtsverfolgung, Auszeichnungen, Datum und Ort der Gefangennahme. 
Der Obergefreite Hermann S. kam am 6. Oktober 1943 bei Newel (Gebiet Pskow) in russische Gefangenschaft. Am 27. Oktober 1943 hat er im Frontaufnahmelager Nr. 41 den Fragebogen unterschrieben, am 5. Dezember 1943 kam er aus Ostaschkow in das Lager nach Tscherepowez.
Die Akte enthält außerdem einen Totenschein vom 3. August 1944 mit der Todesursache "Dystrophie 3. Grades" und einen Bestattungsschein des städtischen Friedhofes Tscherepowez vom 5. August 1944, im Gebiet Wologda, 500 km nördlich von Moskau.



Städtischer Friedhof Tscherepowez
Gedenkplatz für die dort ruhenden Kriegsgefangenen

Auf dem städtischen Friedhof im Südwesten der Stadt, wurden die Kriegsgefangenen, die im Lager von Tscherepowez verstarben, beigesetzt. In der Nachkriegszeit wurde die Parzelle der Kriegsgefangenen durch Beisetzung von Ziviltoten vollständig überbettet. Auf dem Friedhof ruhen: 2.830 Deutsche, 26 Spanier, 109 Finnen, 7 Moldauer, 8 Italiener, 9 Litauer, 44 Polen, 76 Ukrainer, 152 Österreicher, 43 Letten, 13 Franzosen, 16 Jugoslawen, 434 Ungarn, 400 Rumänen, 23 Tschechen, 9 Japaner, je 1 Russe, Holländer, Este, Amerikaner, Luxemburger, Schweizer und Belgier. Insgesamt 4.206 Kriegsgefangene. - Freund und Feind im Tod vereint.
Im Jahr 2007 hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. einen Gedenkplatz für alle dort ruhenden Kriegsgefangenen gebaut.

Tod durch verhungern wurde mit Dystrophie 3. Grades umschrieben. Der Lagerspiegel vom Lager Tscherepowez beschreibt die damaligen Verhältnisse: Unterkunft in Baracken, schlechte und vollkommen unzureichende Verpflegung, kaum Medikamente und Verbandszeug. Der Arbeitseinsatz ging über 10 Stunden täglich in der Holzverarbeitung, beim Torfstich, bei Erdarbeiten, in der Metallzeche, in der Kolchose und im Pferdelazarett.
90 % der Patienten starben an Fleckfieber, Ruhr, Typhus, Tbc, Dystrophie, Ödemen, Erfrierungen und Unfällen.

Die Ungewissheit über Hermanns Schicksal und seine letzte Ruhestätte ist nach 76 Jahren beendet. 


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Sonntag, 28. Juni 2020

Belarus - Eine virtuelle Reise nach Korma

Eigentlich käme ich heute aus Belarus zurück. Mit meiner Tochter wäre ich durch Belarus gereist, das wichtigste Ziel wäre das Dorf Korma gewesen. Korma liegt westlich der Landstraße P31 bei Dubrova, zwischen Paritschi und Osaritschi. Und südöstlich der Hauptstadt Minsk.
Bei Korma verliert sich am 25. Juni 1944 die Spur meines Großvaters Rudolf. Die Rote Armee begann am 23. Juni 1944 die "Operation Bagration". Innerhalb kürzester Zeit wurde die Heeresgruppe Mitte zurückgedrängt, teilweise eingekesselt. Die "Operation Bagration" kennt kaum jemand. Doch sie bescherte den Deutschen die größte militärische Niederlage aller Zeiten. Eine halbe Million deutscher Soldaten starben und die komplette Heeresgruppe Mitte hörte praktisch auf zu existieren.
Die Soldaten der 129. Infanterie-Division, die der Heeresgruppe Mitte angehörte, flohen westwärts. Mein Großvater Rudolf K. hatte eine Verletzung an der Hand, wollte trotz Warnungen seiner Kameraden an den Verbandsplatz zurück, dann rollten die Panzer der Roten Armee auf ihn zu....  Seine sterblichen Überreste wurden bis heute nicht geborgen. Sein Kriegskamerad Xaver B. hat meiner Großmutter über den letzten Tag ihres Ehemannes berichtet.
Vermisst ist ein Wort ohne Schlusspunkt. Von meinem Großvater gab es kein Lebenszeichen. Keine Erkennungsmarke zeigte sich irgendwo im Schlamm, keine Uniformfetzen, keine Knochen für ein Grab. Der Großvater wurde zum Geist, lebte nicht, starb nicht. Das Gefühl, er könnte plötzlich vor der Türe stehen bleibt.

In Witebsk hätten wir das Geburtshaus von Marc Chagall besucht, hätten die Städte Orscha und Mogilev besichtigt, vielleicht in einem der vielen Seen oder der Beresina geschwommen, hätten die Rollbahn (heute Autobahn M1) überquert. Wir hätten mit Weißrussinnen und -russen gesprochen die den Krieg und die Schikanen der Deutschen Wehrmacht er- und überlebt haben. 
In Minsk hätten wir das Staatliche Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges besucht und wären in der Stalin Line mit einem russischen Panzer gefahren. Doch zuvor wären wir mit Sommerblumen auf den Deutschen Soldatenfriedhof Schatkowo bei Bobruisk. Dort ist der Name meines Großvaters im Gedenkbuch eingetragen. Besucht hätten wir auch die allgegenwärtigen weißrussischen Kriegsdenkmäler und die Gedenkstätte Chatyn. Sie erinnert an die über 600 'verbrannten Dörfer'. die mitsamt ihren Einwohnern im nationalsozialistischen Genozid und durch die NS-Politik der 'verbrannten Erde' in Weißrussland seit Beginn des Zweiten Weltkrieges vernichtet wurden. 

Der Großvater beschäftigte mich immer wieder. Als Kind wusste ich nicht was "vermisst" bedeutet. Vermisstes wird oft wiedergefunden, ob er doch eines Tages vor der Türe steht? Ich kenne ihn nur von einem Soldatenfoto in schwarz-weiss aus dem Wohnzimmer meiner Großmutter. Sie hat seine Feldpostbriefe immer wieder gelesen und am Ende ihres Lebens die Briefe verbrannt. Was ihn an der russischen Front beschäftigt hat und was er seiner Familie mitgeteilt hat, ging in Flammen auf.


Memorial Operation Bagration

In Korma hätte ich ihm diese Woche so nah sein können. Neben dem Denkmal wollten wir auf eine Wiese liegen, in die Wolken am weißrussischen Himmel schauen, vielleicht hätten wir ihn sagen hören: Da seid ihr endlich, ich habe lange auf euch gewartet! Meine Sucher-Seele hätte dort ihren Frieden gefunden. - Mehr hätte ich für meinen Großvater nicht tun können.
Die drei Kinder meines Großvaters verpassten die Chance nach Belarus zu reisen. Mit unserer geplanten Reise, die leider durch Corona verhindert wurde, sind wir auf dem richtigen Weg. Die Enkelgeneration will - im Gegensatz zur Generation der Kriegskinder - Licht in die dunkle Vergangenheit bringen. Und letztendlich hat das Schicksal meines Großvaters mein Leben erst ermöglicht. Wäre er nach Hause gekommen, wären sich meine Eltern nie begegnet.


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Dienstag, 17. März 2020

Autoatlas & Feldpostbriefe aus Belarus

Während ich im neuen kyrillischen Autoatlas theoretisch durch Belarus reise wird die praktische Reise bereits in Frage gestellt. Das Corona-Virus hat die Welt halb lahm gelegt. Keine Reisen ins Ausland, Grenzübergänge sind geschlossen, so gut wie alle Vergnügungen gestrichen, die Öffnungszeiten der Gaststätten sind zeitlich begrenzt, Kindergärten und Schulen sind geschlossen, Hamsterkäufe in den Supermärkten. Zum ersten Mal in 60 Jahren stehe ich vor geplünderten fast leeren Regalen. Frankreich hat bereits eine Ausgangssperre verhängt und wir müssen damit rechnen, dass unsere Regierung weitere Einschränkungen anordnet. Wie lange das Virus unser Leben drastisch einschränkt steht in den Sternen. Die Reise nach Belarus ist im  Terminkalender gestrichen. Aber es gibt Schlimmeres als Reisepläne zu verschieben!



Die Spurensuche aber geht weiter. Mein Großvater hat aus Weißrussland auch Briefe an seinen Bruder geschrieben. Und diese Briefe schlummern seit 76 Jahren in Steinheim vor sich hin. Mit keinem Wort wurden diese Feldpostbriefe jemals erwähnt. Meine Mutter erzählte ihrer Cousine von meiner geplanten Reise nach Belarus. Und die Cousine sagte so ganz nebenbei, dass sie diese Feldpostbriefe aufbewahrt. Es grenzt fast an ein Wunder. - Ich weiß noch nicht wie viele Briefe es sind. Da das Leben außer Haus momentan eingeschränkt ist, bleibt jetzt viel Zeit für die Transkription der Feldpostbriefe.


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Sonntag, 1. März 2020

Weißrussland - Kinofilm "Der Krieg in mir"

Seit vielen Jahren wird Sebastian Heinzel von Kriegsträumen verfolgt. Mit dem Wunsch, diese Träume besser verstehen zu können, macht er sich auf den Weg und erforscht die Kriegsvergangenheit seines Großvaters auf dessen Spuren bis ins tiefste Weißrussland.


Der Kinofilm und das gleichnamige Buch zeigen, wie sich Knoten in der Familiengeschichte lösen lassen, um Versöhnung und Heilung zwischen den Generationen zu ermöglichen. Der Autor gibt Impulse und Anregungen für eine andere Betrachtung der eigenen Biografie. Im Buch vertieft er seine Spurensuche und gewährt persönliche Einblicke in die Auseinandersetzung mit diesem Thema. Dabei dokumentiert er, wie sich sein Leben in dieser Zeit grundlegend verändert.
In Zeiten eines neuen Kalten Krieges, der von mächtigen politischen Interessen herbeigerufen wird, ist mir der Brückenschlag zwischen uns Menschen im Westen und im Osten ein echtes Herzensanliegen. Wir sind uns näher, als es vielen manchmal scheint. (Sebastian Heinzel)
Kinokarten sind reserviert. - "Der Krieg in mir" ist eine gute Reisevorbereitung für die Suche nach Spuren meines in Weißrussland vermissten Großvaters. 





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Montag, 24. Februar 2020

Feilenhauer - ein alter Beruf

Im Familienregister von Stuttgart-Zuffenhausen habe ich zum ersten Mal den Beruf Feilenhauer gelesen. Diesen Beruf hatte der 1857 in Frauenzimmern geborene Gottlieb Friedrich Kühlmann. Er scheint ein unsteter Geselle gewesen zu sein, möglicherweise zog er mit seiner Familie übers Land, stellte vor Ort in den Dorfschmieden Feilen her und bereitete alte Feilen und Raspeln wieder auf.
Seine 12 Kinder sind in Ludwigsburg, Erdmannhausen, Heilbronn und in Dörfern um Heilbronn herum geboren: Biberach, Sontheim, Böckingen. Seine Tochter Pauline wurde 1915 in Mägerkingen im Kreis Reutlingen konfirmiert. Bei der Hochzeit von Karoline Maria 1916 in Feuerbach war der Vater "mit unbekanntem Aufenthaltsort abwesend". Im Jahr 1922 erklärte Gottlieb Friedrich seinen Kirchenaustritt, danach verliert sich seine Spur. Seine Ehefrau Jacobine Wilhelmine geborene Stierle aus Erdmannhausen, ist 1944 in Stuttgart-Feuerbach verstorben.


Der Beruf entstand im späten Mittelalter als ein Spezialzweig des Schmiedehandwerks, zum ersten Mal wird dieser Beruf 1387 in Frankfurt am Main erwähnt, in Nürnberg ab 1494 genannt. Im 19. und 20. Jahrhundert war Remscheid und das Bergische Land ein Zentrum der Feilenhauerei. - Die Herstellung von Feilen wurde immer mehr automatisiert und in Fabriken verlagert. Als handwerkliche Tätigkeit verschwand die Feilenhauerei allmählich. In Baden-Württemberg beispielsweise strich man den Beruf in den 1950er Jahren aus der Liste der Handwerksberufe, der letzte Betrieb schloss in den 1980ern.




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Samstag, 22. Februar 2020

Deutsches Rotes Kreuz - Vermisstenbildlisten Online

Meine Reise nach Belarus rückt immer näher. Mit Militärkarten vom Sommer 1944 suche ich auf einer aktuellen Landkarte von Belarus nach den Dörfern nahe der damaligen Front. Auf den Militärkarten ist der Standort der 129. Infanterie-Division eingezeichnet, der mein Großvater angehörte. Die 129. ID gehörte der 9. Armee an, die der Heeresgruppe Mitte unterstellt war. Anhand von Online-Kriegstagebüchern, dem Standort der militärischen Einheit und dem Datum seit er vermisst ist, lässt sich so in etwa lokalisieren wo er im Alter von 29 Jahren gefallen ist. Auf einer topographischen Landkarte aus dem Jahr 1941 finde ich den Vermisstenort Korma, etwa 65 Kilometer südlich von Bobruisk und westlich der Landstraße die von Bobruisk über Paritschi nach Mazyr führt (heute P31). Korma liegt in einem von Sümpfen durchzogenen Waldgebiet und war umgeben von einzelnen Gehöften, auch stand dort einst eine Windmühle.



topographische Landkarte 1941 "Sonderausgabe" - nur für den Dienstgebrauch



Memorial Operatsiya Bagration
erinnert an die verheerende Schlacht im Sommer 1944 in Weißrussland

Der einzige noch vorhandene Feldpostbrief meines Opas vom Brückenstützpunkt "Erlkönig",  irgendwo im Osten, ist jetzt endlich "übersetzt." Er schrieb, dass unter den Zivilisten das Gerücht von Stalins Tod umgeht und das wäre ja kein Fehler.... 


Die Vermisstenbildliste des Deutschen Roten Kreuzes (DRK)  aus dem Jahr 1958 ist seit fünf Jahren 

online. Mit der Suche per Feldpostnummer habe ich meinen Großvater in dieser Liste gefunden. Zu meiner Freude mit Bild, denn von 1.400.000 Vermissten gab es nur für 900.000 Personen ein Bild.

Ende der 1950er Jahre sind diese Listen entstanden. Der DRK-Suchdienst bat seinerzeit alle bei ihm registrierten Suchenden um die Einsendung von Fotos ihrer vermissten Angehörigen. Die Fotos mit den Namen wurden nach Truppeneinheiten geordnet, zu Bildlisten zusammengestellt und ab Dezember 1957 gedruckt. Der komplette Satz aller Bildlisten war im Oktober 1958 fertig. Er bestand am Ende aus 225 Bänden mit über 125 000 Seiten. In 199 Bänden waren die Wehrmachtsvermissten, in 26 Bänden die Zivilverschollenen erfasst.

Nach mehrjähriger Digitalisierung stehen die Vermisstenbildlisten zu verschollenen Wehrmachtsangehörigen des Zweiten Weltkriegs online zur Verfügung.

Diese Listen dokumentieren die Folgen eines Weltkrieges, der wie kein anderer zuvor Opfer unter Soldaten und der Zivilbevölkerung forderte.

Bei der Befragung zurückkehrender Wehrmachtsangehöriger stellte sich bald heraus, dass sie sich an die Gesichter gefallener, gefangengenommener oder in Kriegsgefangenschaft verstorbener Kameraden vielfach besser erinnerten, als an deren Namen. Der DRK-Suchdienst druckte daher Bildlisten, die er den Landes-, Kreis- und Ortsverbänden des Deutschen Roten Kreuzes zur Verfügung stellte. Es wurde u. a. ein spezieller Befragungsdienst mit Bussen eingerichtet, der gemeinsam mit anderen Stellen bis 1964 ca. 2,65 Millionen Heimkehrer befragte und daraus 241.000 schicksalsklärende Aussagen gewann. Demnach waren von den noch vermissten Soldaten 27.031 mit Sicherheit gefallen, 67.384 vermutlich gefallen und 33.843 in Gefangenschaft geraten.
Mitte der 1970er Jahre wurden die Vermisstenbildlisten des DRK-Suchdienstes mit dem Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Fotografie gewürdigt. Für viele Familienangehörige sind sie ein Gedenkbuch. Militärhistorisch Interessierten bieten sie Hinweise auf die Verluste von Einheiten und kaum mehr anderswo auffindbare Hinweise auf deren Unterstellungen und Truppenanschriften.




Mittwoch, 15. Januar 2020

Könige bei Tisch - Egerer Zeitung 1899

"Heut hab ich gegessen wie ein Fürst" - "es hat mir königlich geschmeckt" - "es ist ein königliches Essen" - "eine fürstliche Mahlzeit" - Wer hätte diese Ausdrücke nicht schon gehört,  wer hätte sie nicht schon gebraucht. Wie aber essen die Könige? Wie sehen fürstliche Mahlzeiten aus? Es mag nicht uninteressant sein, sich darüber zu orientieren.
Kaiser Wilhelm II. ist ein guter Esser, aber durchaus kein Gourmand. Sein Lieblingsessen sind dürre Bohnen, und wenn es beispielsweise auf der Jacht Hohenzollern für die Mannschaft dürre Bohnen gibt, dann wird für den Kaiser stets eine Extraschüssel davon aufgehoben. Was der Kaiser besonders bevorzugt, ist die gute kräftige Hausmannskost
Das Frühstück, das er meistens gleich nach dem Bade nimmt, besteht nach englischer Art aus Thee mit Brödchen, Eierspeisen, Beefsteak etc. Das Gebäck, feine Weißbrödchen, wird sowohl in Berlin wie Potsdam von Privatbäckern geliefert und nicht im Schloß selber gebacken. Das zweite Frühstück ist warm und besteht aus vier Gängen: Suppe, Fleisch und Gemüse, Braten und eine süße Schüssel.
Um fünf Uhr findet das Diner oder vielmehr wie es jetzt heißt, die königliche Mittagstafel statt. Sechs Gänge gibt es da und nicht mehr. Bei der Familientafel meist die Lieblingsgerichte des Kaisers. Wenn Gäste da sind, was allerdings nicht selten der Fall ist, da der Kaiser Gesellschaft liebt, wird häufig auch auf deren Geschmack besonders Rücksicht genommen, den sich der Kaiser besonders genau merkt.


Kaiser Wilhelm II.

Bei allen Mahlzeiten im engeren Kreise wird meist Mosel- und Rheinwein gereicht. Zu den Lieblingsgetränken des Kaisers gehört eine gute Bowle: Maibowle, Erdbeerbowle und Gurkenbowle. Bei den offiziellen Diners wird zur Suppe Madeira, Portwein und Sherry kredenzt. Zu den anderen Gerichten Rheinwein und Rothwein, meist Schloßabzüge und ganz erlesene Jahrgänge.
Zum Braten kommt dann französischer Champagner und zu den Desserts alter Tokayer und Muskat. - Daß der Kaiser ein gutes Glas Bier nicht verschmäht, ist bekannt.
Am Abend gibt es hie und da - namentlich wenn der Kaiser viel Bewegung im Freien gemacht hat, ein leichtes warmes Mahl, sonst nur Thee und kalten Aufschnitt.

Die "fürstlichste" Tafel von den Regenten Europas führt unstreitig der Kaiser von Oestereich, obwohl Kaiser Franz Joseph selber im Genuss von Speise und Trank ganz außerordentlich mäßig ist, und ihm gekochtes Rindfleisch am allerbesten schmeckt. Das darf denn auch bei keiner seiner Tafeln fehlen. Auch ein gutes echtes ungarisches Gulyas gehört zu den Lieblingsgerichten des Kaisers.
Ein Esser, über den die Köche von Beruf förmlich außer sich gerathen können, ist der König von Italien. "Minestré" - das ist dick eingekochte Suppe mit Reis und Gemüse, gehören ebenso wie Hülsenfrüchte zu seinen Lieblingsgerichten. Aus allem anderen macht er sich nichts. Die italienische Küche zieht er allen übrigen vor, während im kronprinzlichen Hause die französische Küche vorherrscht. Königin Margherita schwärmt für "dolci", für süße Speisen, sonst aber hat sie keine Gerichte, die sie besonders bevorzugen würde, es wäre denn Geflügel.
Die Königin von England zieht wieder die schottische Küche allen anderen vor. Zum Frühstück durfte der Porridac, die schottische Mehlsuppe, nie fehlen, jetzt aber trat Fleischbrühe mit Ei an deren Stelle. Fleisch ißt die Königin gerne, namentlich gesottenes Fleisch jeder Art. Auch "Haggis", eine Art Fleischwurst, gehört zu den Gerichten, die häufiger auf ihrer Tafel erscheinen. Von süßen Speisen ist es schottischer Creme, den sie bevorzugt. - Früher trank die Königin zu den Mahlzeiten Bordeaux und Champagner, jetzt seit Jahren schon nur noch Whisky mit Selterwasser gemischt.
Der Prinz von Wales führt die feinste französische Küche und kann als Feinschmecker ganz besonderer Art gelten.


Ausstellung auf Schloss Salem
Von Tisch und Tafel. Essen und Trinken in den Schlössern, Klöstern und Burgen.

Die Königin von Spanien ist ihrem heimatlichen Geschmacke treu geblieben und führt österreichische Küche. Zum Kaffee kommen Wiener Kipfel und Kaisersemmeln und auch ein Gugelhupf. Wiener Schnitzel und "Backhändel" zieht die Königin jeder anderen Fleischspeise vor, ja sogar Wiener Würstel finden den Weg in die königliche Küche. Der kleine König theilt nicht ganz den Geschmack seiner Mutter. Er ist auch im Essen national.
Der russische Zar ißt ungemein wenig, hat aber einen sehr verfeinerten Geschmack. Natürlich sind es französische Köche, die in seiner Küche das Regiment führen.
Am einfachsten von allen lebt der Papst. Das Frühstück, das der heilige Vater nach der Messe zu sich nimmt, besteht aus einem Glase Milch oder einer Schale außerordentlich weißem Milchkaffee. Das Mittagessen besteht aus etwas Suppe, zwei Eiern, hie und da ein bischen Huhn und Obst. Abends ein Bisquit, und ein Glas Milch, das ist alles.
Ein Esser, dem alles schmeckt und der nicht viel danach fragt, ob es französische oder andere Küche ist, ist der König von Portugal. Leider regelt seine Frau seinen Tisch, die stets darauf Rücksicht nimmt, daß ja des Königs Neigung zur Fettleibigkeit nicht unterstützt wird. - Dafür hält sich der König ab und zu schadlos und geht in ein Restaurant, wo er essen kann, was er will.
Ein Feinschmecker ersten Ranges ist König Milan von Serbien, der ja in allen Genüssen zu schwelgen versteht. Sein Sohn, König Alexander, liebt sein heimatliches Gericht, den Pilaw und die Wiener Küche, trotz dem er im Konak die französische Küche führt, die auch beim Fürsten von Bulgarien und beim Fürsten von Montenegro die Tafel beherrscht. Das Lieblingsgericht des letztgenannten Fürsten ist übrigens die Lachsforelle, deren bis zu 75 Pfund schwere im Skutarisee gefangen werden. Der Kronprinz Danilo aber führt französische Küche und der Champagner fließt dort im kleinen Palais oft in Strömen.
Die Küche à la france wird vom Sultan nur wenig geschätzt. Er liebt es nach der Sitten der Seinen zu essen, und Reiß und Hammelfleisch spielt da eine große Rolle, ebenso wie das Dultschas, das Eingesottene, namentlich das von Rosen.
Die einfachste Küche aber von allen führt der König von Griechenland, der über einen gut bürgerlichen Tisch nicht hinausgeht.  - (Originaltext, der nicht den heutigen Rechtschreibregeln entspricht).




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Samstag, 4. Januar 2020

Johannes 'John' Zundel - ein Komponist aus Schwaben

Was hat die Hochzeit von Prinz William mit Kate Middleton und dem 1815 geborenen Sohn eines armen Landschulmeisters aus dem Schwabenland zu tun?
Aus Kentucky kam eine Email eines Zundel-Nachfahren, dass er nach unendlich langer Suche seine Vorfahren väterlicherseits in Hessen gefunden hat. Seine Zunder-Arnold-Vorfahren mütterlicherseits aus Hochdorf/Enz und Heilbronn, die nach Indiana ausgewandert waren, sind mit Nachfahren meiner Vorfahren verbandelt.

Der kurze Blick in seinen ergänzten Stammbaum wurde zu einer interessanten Recherche, die etwas mehr Zeit in Anspruch nahm. Zeit die sich gelohnt hat. Wer kann schon von sich sagen, dass die Queen, die Familie Windsor, die Spencers, die Middletons, Sir Elton John und ein Teil des europäischen Hochadels in der Westminster Abbey ein Lied sangen, dessen Melodie der 4-fache Urgroßonkel komponiert hat?

"No! My 4th great uncle! So cool! Thank You!" kam von Lonnie aus Kentucky als er die Neuigkeiten las. In diesem Moment weiß er noch nicht, dass das Lied Love Divine, all Loves excelling eines von vier Liedern war, das anläßlich der Hochzeit von Kate & William gesungen wurde und sein Verwandter John Zundel komponiert hat. Aber er liest diesen Blog!



Johannes Zundel, im Jahre 1815 als Sohn des Schulmeisters Christoph Heinrich Zundel und seiner zweiten Ehefrau Heinrika Blankenhorn in dem schwäbischen Dorf Hochdorf an der Enz, das später durch den Fund eines Keltengrabes bekannt wurde, geboren.
Ein Multitalent mit eigener Wikipedia-Seite: Organist, Komponist und Pädagoge. Er studierte Orgelbau bei dem berühmten Orgelbauer Walcker in Ludwigsburg, reiste 1840 nach St.Petersburg
um ein Konzert auf einer Walcker-Orgel in der Lutherischen Kirche St. Peter und St. Paul zu geben. Es war das erste Orgelkonzert, das jemals auf russischem Boden gegeben wurde.
Zundel wurde Organist an der St.-Annen-Kirche in Sankt Petersburg und Kapellmeister der kaiserlichen Leibgarde. Er blieb sieben Jahre in St. Petersburg.


1815 - Johannes 'John' Zundel - 1882

In der Absicht, Orgelkonzerte zu geben, emigrierte Zundel 1847 in die USA. Da er keine geeigneten Instrumente für Konzerte fand, ließ er sich als Kirchenorganist nieder. Er war zunächst 1848 bei Reverend Farnley in der Unitarian Church in Brooklyn beschäftigt und wurde dann 1850 von Henry Ward Beecher als Musikdirektor und Organist für die Brooklyn's Plymouth Church engagiert. Zundel blieb insgesamt 28 Jahre in der Plymouth Church.
Unterbrochen wurde der Aufenthalt in den USA bei der Geburt seines Sohnes Johannes Alexander 1955, der in Stuttgart zur Welt kam. Seine Ehefrau Theresia, eine hervorragende Pianistin, verstarb 1856 in Stuttgart an Schwindsucht. Im Mai 1957 heiratete John die von einem Göppinger Papierfabrikanten geschiedene Frau, Maria Elisabeth Sapper, geboren 1819 in Heidenheim.
Im Oktober 1858 fuhr die Familie mit dem Dampfschiff Borussia von Hamburg nach New York.
Die Zundel-Kinder verheiraten sich in den USA, während Johannes im Alter von 62 Jahren nach Deutschland zurückkam, er verbrachte seinen Ruhestand in Stuttgart-Bad Cannstatt. Am 21. Mai 1882 ist Johannes 'John' Zundel in Kirchheim unter Teck verstorben und wurde dort begraben. Im Sterbebuch wurde 'Professor für Musik' vermerkt.


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Freitag, 3. Januar 2020

Belarus 2020 - Spurensuche

Zu Beginn des Jahres werden Reisepläne geschmiedet. Mein wichtigstes Ziel im neuen Jahr ist Belarus. Ein blutgetränktes Land, Architektur aus der Stalin-Zeit, mit großen Festungsanlagen und Urwäldern. In dem osteuropäischen Binnenstaat regiert seit 25 Jahren Aljaksandr Lukaschenko, der letzte Diktator Europas. 
Seit Beginn der Operation Bagration wird mein Großvater Rudolf K. an der Ostfront 1944 vermisst. Nach Öffnung der Grenzen zu Russland begann ich mit der Suche nach Informationen über meinen vermissten Großvater. Seine sterblichen Überreste wurden bisher nicht gefunden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch sterbliche Überreste der gefallenen Soldaten an den ehemaligen Kriegsschauplätzen gefunden werden, die Chance ist jedoch sehr gering.
Vor drei Jahren habe ich den Beitrag 12.1.44 - Brückenstützpunkt "Erlkönig" im Osten geschrieben. Inzwischen wurde eine Spruchkammerakte gefunden, die für Verwirrung sorgte. Er hat den Krieg nicht überlebt und trotzdem die Entnazifizierung? Mein Großvater war Beamter bei der Reichsbahn. Wegen Pensionsansprüchen seiner Witwe an die Reichsbahn war eine Verhandlung vor der Spruchkammer erforderlich. Mein Puls wurde schneller als ich die Akte im Lesesaal des Staatsarchivs Ludwigsburg, in dem 500.000 Spruchkammerakten gelagert werden, in Empfang nahm. Der Umfang der Akte war mehr als ich erwartet habe. Unter Anspannung blätterte ich im Lesesaal Seite für Seite um und ich hab mich kaum bewegt, so hat mich die Akte in ihren Bann gezogen. Was werde ich lesen? Wird sich das sehr positive Bild meines Großvaters verändern? 
In der Akte befand sich ein Bogen mit mehr als 100 Fragen die meine Großmutter nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet hat, ein Passfoto, ein Fragebogen zur Person der bei der Einberufung 1943 erstellt wurde: 177 cm groß, 65 kg schwer, Schuhgröße 42, mittelbraune Augen, athletisch, Rasse vorwiegend nordisch.... Die Anfragen an das Arbeitsamt und die Verwaltung seiner Heimatgemeinde waren positiv: Nachteile sind nicht bekannt, ein sehr anständiger und zurückhaltender Mann, in Parteiuniform hat man ihn nicht gesehen. - Das Verfahren wurde eingestellt.


Minsk - Ruhmeshügel


Die Rundreise beginne ich in Minsk und folge dem Weg den mein Großvater zurückgelegt hat: Witebsk, Orscha, Mogilev, Bobruisk und Karma (Korma) wo sich seine Spur verliert: "Vermisst seit dem 25. Juni bei Korma/ Raum Bobruisk/UdSSR". - 1961 wurde er laut Beschluss des Amtsgerichtes mit Wirkung vom 31.12.1945 für tot erklärt.
Im Gedenkbuch des deutschen Soldatenfriedhofes Schatkowo, nördlich von Bobruisk, nicht weit von der Beresina, ist sein Name eingetragen. Der Fluss ist bekannt durch die gleichnamige Schlacht von 1812 als die Grande Armée Napoleons dort auf dem Rückzug gegen die Truppen des Zaren kämpfte.



Letzte Ruhe in Schatkowo


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