"Heut hab ich gegessen wie ein Fürst" - "es hat mir königlich geschmeckt" - "es ist ein königliches Essen" - "eine fürstliche Mahlzeit" - Wer hätte diese Ausdrücke nicht schon gehört, wer hätte sie nicht schon gebraucht. Wie aber essen die Könige? Wie sehen fürstliche Mahlzeiten aus? Es mag nicht uninteressant sein, sich darüber zu orientieren.
Kaiser Wilhelm II. ist ein guter Esser, aber durchaus kein Gourmand. Sein Lieblingsessen sind dürre Bohnen, und wenn es beispielsweise auf der Jacht Hohenzollern für die Mannschaft dürre Bohnen gibt, dann wird für den Kaiser stets eine Extraschüssel davon aufgehoben. Was der Kaiser besonders bevorzugt, ist die gute kräftige Hausmannskost
Das Frühstück, das er meistens gleich nach dem Bade nimmt, besteht nach englischer Art aus Thee mit Brödchen, Eierspeisen, Beefsteak etc. Das Gebäck, feine Weißbrödchen, wird sowohl in Berlin wie Potsdam von Privatbäckern geliefert und nicht im Schloß selber gebacken. Das zweite Frühstück ist warm und besteht aus vier Gängen: Suppe, Fleisch und Gemüse, Braten und eine süße Schüssel.
Um fünf Uhr findet das Diner oder vielmehr wie es jetzt heißt, die königliche Mittagstafel statt. Sechs Gänge gibt es da und nicht mehr. Bei der Familientafel meist die Lieblingsgerichte des Kaisers. Wenn Gäste da sind, was allerdings nicht selten der Fall ist, da der Kaiser Gesellschaft liebt, wird häufig auch auf deren Geschmack besonders Rücksicht genommen, den sich der Kaiser besonders genau merkt.
Kaiser Wilhelm II.
Bei allen Mahlzeiten im engeren Kreise wird meist Mosel- und Rheinwein gereicht. Zu den Lieblingsgetränken des Kaisers gehört eine gute Bowle: Maibowle, Erdbeerbowle und Gurkenbowle. Bei den offiziellen Diners wird zur Suppe Madeira, Portwein und Sherry kredenzt. Zu den anderen Gerichten Rheinwein und Rothwein, meist Schloßabzüge und ganz erlesene Jahrgänge.
Zum Braten kommt dann französischer Champagner und zu den Desserts alter Tokayer und Muskat. - Daß der Kaiser ein gutes Glas Bier nicht verschmäht, ist bekannt.
Am Abend gibt es hie und da - namentlich wenn der Kaiser viel Bewegung im Freien gemacht hat, ein leichtes warmes Mahl, sonst nur Thee und kalten Aufschnitt.
Die "fürstlichste" Tafel von den Regenten Europas führt unstreitig der Kaiser von Oestereich, obwohl Kaiser Franz Joseph selber im Genuss von Speise und Trank ganz außerordentlich mäßig ist, und ihm gekochtes Rindfleisch am allerbesten schmeckt. Das darf denn auch bei keiner seiner Tafeln fehlen. Auch ein gutes echtes ungarisches Gulyas gehört zu den Lieblingsgerichten des Kaisers.
Ein Esser, über den die Köche von Beruf förmlich außer sich gerathen können, ist der König von Italien. "Minestré" - das ist dick eingekochte Suppe mit Reis und Gemüse, gehören ebenso wie Hülsenfrüchte zu seinen Lieblingsgerichten. Aus allem anderen macht er sich nichts. Die italienische Küche zieht er allen übrigen vor, während im kronprinzlichen Hause die französische Küche vorherrscht. Königin Margherita schwärmt für "dolci", für süße Speisen, sonst aber hat sie keine Gerichte, die sie besonders bevorzugen würde, es wäre denn Geflügel.
Die Königin von England zieht wieder die schottische Küche allen anderen vor. Zum Frühstück durfte der Porridac, die schottische Mehlsuppe, nie fehlen, jetzt aber trat Fleischbrühe mit Ei an deren Stelle. Fleisch ißt die Königin gerne, namentlich gesottenes Fleisch jeder Art. Auch "Haggis", eine Art Fleischwurst, gehört zu den Gerichten, die häufiger auf ihrer Tafel erscheinen. Von süßen Speisen ist es schottischer Creme, den sie bevorzugt. - Früher trank die Königin zu den Mahlzeiten Bordeaux und Champagner, jetzt seit Jahren schon nur noch Whisky mit Selterwasser gemischt.
Der Prinz von Wales führt die feinste französische Küche und kann als Feinschmecker ganz besonderer Art gelten.
Ausstellung auf Schloss Salem
Von Tisch und Tafel. Essen und Trinken in den Schlössern, Klöstern und Burgen.
Die Königin von Spanien ist ihrem heimatlichen Geschmacke treu geblieben und führt österreichische Küche. Zum Kaffee kommen Wiener Kipfel und Kaisersemmeln und auch ein Gugelhupf. Wiener Schnitzel und "Backhändel" zieht die Königin jeder anderen Fleischspeise vor, ja sogar Wiener Würstel finden den Weg in die königliche Küche. Der kleine König theilt nicht ganz den Geschmack seiner Mutter. Er ist auch im Essen national.
Der russische Zar ißt ungemein wenig, hat aber einen sehr verfeinerten Geschmack. Natürlich sind es französische Köche, die in seiner Küche das Regiment führen.
Am einfachsten von allen lebt der Papst. Das Frühstück, das der heilige Vater nach der Messe zu sich nimmt, besteht aus einem Glase Milch oder einer Schale außerordentlich weißem Milchkaffee. Das Mittagessen besteht aus etwas Suppe, zwei Eiern, hie und da ein bischen Huhn und Obst. Abends ein Bisquit, und ein Glas Milch, das ist alles.
Ein Esser, dem alles schmeckt und der nicht viel danach fragt, ob es französische oder andere Küche ist, ist der König von Portugal. Leider regelt seine Frau seinen Tisch, die stets darauf Rücksicht nimmt, daß ja des Königs Neigung zur Fettleibigkeit nicht unterstützt wird. - Dafür hält sich der König ab und zu schadlos und geht in ein Restaurant, wo er essen kann, was er will.
Ein Feinschmecker ersten Ranges ist König Milan von Serbien, der ja in allen Genüssen zu schwelgen versteht. Sein Sohn, König Alexander, liebt sein heimatliches Gericht, den Pilaw und die Wiener Küche, trotz dem er im Konak die französische Küche führt, die auch beim Fürsten von Bulgarien und beim Fürsten von Montenegro die Tafel beherrscht. Das Lieblingsgericht des letztgenannten Fürsten ist übrigens die Lachsforelle, deren bis zu 75 Pfund schwere im Skutarisee gefangen werden. Der Kronprinz Danilo aber führt französische Küche und der Champagner fließt dort im kleinen Palais oft in Strömen.
Die Küche à la france wird vom Sultan nur wenig geschätzt. Er liebt es nach der Sitten der Seinen zu essen, und Reiß und Hammelfleisch spielt da eine große Rolle, ebenso wie das Dultschas, das Eingesottene, namentlich das von Rosen.
Die einfachste Küche aber von allen führt der König von Griechenland, der über einen gut bürgerlichen Tisch nicht hinausgeht. - (Originaltext, der nicht den heutigen Rechtschreibregeln entspricht).
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