"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Donnerstag, 8. März 2018

Oberstenfeld 1914 - Ende der Ära Kayser

Die Ära der aus Möckmühl stammenden Handelsleute Kayser in Oberstenfeld begann 1769 mit meinem 5-fachen Urgroßvater Johann Jacob Kayser und endete 1914 mit dem Tod seines Urenkels Karl Otto Kayser (*1844).
Karl Otto Kayser betrieb das Handelshaus Kayser in vierter Generation "außen im Dorf neben der Beilsteiner Landstraße, vornen auf die Creutz straßen stoßend". Das Haus wurde 1794 um 900 Gulden erworben. Die "Creutz straße" ist die heutige Lichtenberger Straße, zu der erworbenen Baulichkeit gehörte damals noch ein Kuhstall, ein Schweinestall und ein Waschhäusle dazu. Das sind die Vorgängerbauten der jetzigen Seniorenbegnungsstätte und Bücherei. Ein Hofplatz und ein Garten schlossen sich an.


Ortsbücherei und Seniorenbegegnungsstätte Oberstenfeld
war einst das Handelshaus Kayser auf die "Creutz straße" stoßend

Auch die nach dem Handelshausgründer folgenden Generationen hatten einen guten Ruf in Oberstenfeld. Johann Gottlieb Balthasar (1770 - 1816) wird mit erst 26 Jahren Ratsverwandter. Seine Ehefrau Johanna Friederike, Tochter des Ochsenwirts und Schultheißen Johann Friedrich Ziegler bringt Beträchtliches als Heiratsgut mit. So kann das junge Paar dringende Reparaturen an den Gebäuden durchführen lassen und das ganze Anwesen auf die Bedürfnisse eines Handelshauses umrüsten.
Von den sechs Kindern die Johanna Friederike zur Welt bringt, kommen drei ins Erwachsenenalter. Der Stammhalter trägt wieder die Leitnamen der Familie, er heißt Johann Gottlieb und ist am 4. April 1798 geboren, am Geburtstag des glücklichen Vaters. Doch der Vater kann sich nicht mehr allzulange am Familie, Haus und Erfolg freuen. 1816 stirbt er im Alter von 46 Jahren. Der Sohn, der das Geschäft übernehmen soll, ist erst 18 Jahre alt. 
Er bringt zum Glück schon einige Erfahrung im Beruf des Kaufmanns mit, als er nach dem Tod des Vaters so plötzlich in die Verantwortung gestellt wird. Mit Willen und Tatkraft zeigt er sich der großen Aufgabe gewachsen. Er heiratet die Beilsteiner Ochsenwirtstochter Luisa Friederike Cast. Bei der Hochzeit 1826 ist sie knapp 19 Jahre alt und auch sie bringt ein beträchtliches Heiratsgut ins Haus Kayser. Der Stammhalter heißt auch wieder Johann Gottlieb (*1827). Die Mutter stirbt überraschend am 12. Januar 1835 an Nervenfieber. Für den Vater ein schwerer Schlag, er kann sich lange nicht entschließen wieder zu heiraten.  Er stürzt sich in die Arbeit und wird 1839 zum Schultheißen ernannt. Acht Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau heiratet Johann Gottlieb wieder, eine Müllerstochter aus Söhnstetten im Oberamt Heidenheim. Am 10. August 1844 wird Otto Karl geboren. Der Älteste aus der ersten Ehe scheint sich zuhause nicht mehr wohlzufühlen. Im Alter von 18 Jahren rückt er aus nach Amerika. Der Vater wartet vergeblich auf die Heimkehr des Sohnes. Johann Gottlieb junior, die Hoffnung für die Zukunft des Handelshauses wird er nicht mehr wiedersehen. Wenige Wochen später stirbt seine zweite Frau, er ist mit dem 1-jährigen Otto und der 14-jährigen Charlotte allein, doch das Geschäft geht unverändert weiter. Mit 22 Jahren wird die Tochter Diakonisse und verlässt das Elternhaus. Am 1. Februar 1866 stirbt Johann Gottlieb Kayser, der weit über das Bottwartal hinaus bekannt geworden ist. Sein Tod wird selbst im Stuttgarter Staatsanzeiger und im "Schwäbischen Merkur" bekanntgegeben. 
Nach dem Tod des Vaters melden sich die beiden Ältesten aus den USA wegen ihrem Erbe. Friederike Charlotte war mit dem evangelisch lutherischen Prediger Ludwig Ebert aus Minnesota verheiratet. Der Sohn lebte und arbeitete als Kunstmaler in New Jersey. Doch das Heimweh zieht ihn später wieder in die alte Heimat. Er wohnte bei seiner Tante Sophia Magdalena in Oberstenfeld, sie war zuvor als Herrnhuter Schwester in Kuba und Nordamerika. 

Karl Otto führte in vierter Generation ab 1866 das Handelshaus weiter. Auch er nimmt eine Gastwirtstochter zur Frau: Maria Luise Walz aus dem "Waldhorn" von Abstatt. Sie war eine gute Frau, die in Oberstenfeld viel Segen gestiftet hat. - Sie kam zehnmal ins Wochenbett, doch sind dem Ehepaar nur die Töchter Anna (1871-1942) und Clara (1873-1960) geblieben. Vom "alten Kayser" Otto sind über die Jahrzehnte manche Geschichten lebendig geblieben. Er traf sich regelmäßig mit seiner Männerrunde "Rauchclub Vesuv" im Gasthaus zum "Stern" neben dem "Ochsen". Otto Kayser hatte eine besonders schöne Tabakspfeife. Unterhalb des Mundstücks war das Bild seines stolzen Anwesens auf einen Porzellanring aufgemalt. Der Pfeifenkopf selbst zeigte Oberstenfeld mit Stiftskirche und Lichtenberg.
Im großen Salon in der Wohnung über den Geschäftsräumen trafen sich alljährlich an Weihnachten die Honoratioren des Dorfes, darunter die adeligen Damen aus dem Stift. Die beiden Töchter wachsen zu Damen heran, stets etwas distinguiert, mit Abstand. Einmal bemühte sich Kaufmann Pfannkuch um Clara. Der Name Pfannkuch wurde später durch seine große Ladenkette bekannt. Doch Vater Kayser widerstrebt es, seine Tochter einem Mann mit dem Namen Pfannkuch zu geben. Den Hinweis auf dessen Besitz tut er ab mit den Worten: "Was der an Vermögen hat, kann ich aus jedem Eck herauskratzen!" So werden aus den beiden Damen allmählich "alte Mädchen". - Mit Otto Karls Tod 1914, dem Tod seiner Frau im Jahre 1933 und dem Tod der Töchter geht die Geschichte einer Familie zu Ende, die für die Gemeinde Oberstenfeld und die gesamte Umgebung von Bedeutung war.


(aus dem Buch: Oberstenfeld in Geschichte und Geschichten Band I)





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