Nach dem das französische Heer im Sommer 1693 wieder abzog, war Ende August der Pfarrer und der größere Theil der Einwohner wieder nach Steinheim zurückgekehrt.
Aber wie trafen sie die Heimath wieder an! Sieben und dreißig Häuser meist solche, die im 30-jährigen Kriege verschont geblieben waren, waren gänzlich niedergebrannt, alle ausgeplündert, die meisten mit dem größten Muthwillen ruiniert, die Kirche, die zu einem Eselsstall gemacht worden war, abscheulich zugerichtet, die Fenster ausgeschlagen, die Thüren ausgehoben und verbrannt, die Kirchengefäße gestohlen, die Orgelpfeifen zerschnitten, die Kirchenbücher zerrissen, beschmutzt, versudelt und auf Düngerhaufen geworfen, aller Vorrath des Fleckens und Heiligen (Kirche) an Baumaterialien, Geräthschaften, Früchte und Wein verschwunden, und was die augenblickliche Noth noch am meisten erhöhte, der reiche, schon beinahe zeitige ErndtErtrag theils beim Fouragiren abgemäht, theils von den Pferden in Boden getretten, theils auf dem Halm niedergebrannt. Eine menge fruchtbarer Bäume waren zu Wachtfeuern niedergehauen worden, ja sogar der Reben in den Weinbergen hatte man nicht geschont.
Zu all dem Elend kam noch eine durchs ganze Land verbreitete Theurung, wo der Scheffel Kerner (Getreide) bis auf 22 fl (Gulden) stieg, und eine, auf so viel Elend, Mangel und unnatürliche Nahrungsmittel folgende, ansteckende 'hitzige Krankheit', an der im ganzen Lande in den 2 Jahren 1693 und 94, 37.635 Menschen und hier 138 starben, so daß - obgleich damals der Flecken drei Kirchhöfe hatte, diese doch nicht zureichten, sondern der am Schaf-Thor noch durch Ankauf erweitert werden mußte.
Mit großer Sorgfalt hatte vor der Flucht Pfarrer Gottfried Pfaff mit dem Provisor Bayer erst nach dem 30-jährigen Krieg wieder angeschaffte 'Vasa sacra' in dem Gemäuer des Kirchthurms versteckt, aber die sinnreichen Franzosen bemerkten den vor die Oeffnung nur locker vorgeschobenen Stein und nahmen alles fort. Es waren 2 versilberte und vergoldete Nachtmahl-Kelche, eine silberbeschlagene HostienKapsel, 3 Altarkannen und 1 TaufPatine, auch 3 Chorhemden, zusammen mehr als 100 fl (Gulden) nach damalig wohlfeilem Anschlag werth, meist lauter fromme Stiftungen, was in die gottlosen Hände der Franzosen fiel.
Eines, und zwar das älteste Tauf-, Todten- und Ehebuch, das mit einer Menge Notizen aus der Zeitgeschichte versehen ist, und aus welchem zum Theil diese Bemerkungen geschöpft sind, wurde erhalten. Zwar fanden es die Franzosen auch, zerrissen und bemalten es und warfen es dann auf einen Düngerhaufen (Misthaufen). Ein wackerer Bürger, Johannes Illg, sammelte die zerstreuten Blätter, hob sie sorgfältig auf und gab sie nach der Rückkehr dem Pfarrer zurück. Mit großer Mühe wurden die Blätter geordnet und zusammen gebunden, und noch heute sieht man die Sudeleien der Franzosen, die von dem damaligen Pfarrer jedesmal mit der Bemerkung 'petulantia Gallorum' ausgehoben, und die noch so schwarz sind, wie erst gestern geschrieben, während dem die Dinte des Pfarrers in der langen Zeit erbleichte. Die große Weimar'sche Bibel ist den Franzosen entgangen, da sie der Pfarrer im Taubenschlag versteckte und Holz vorgebeugt hatte. Beim Einzug der allirten Armee wurde die Bibel von einem Graf von der Lippe und seinem Feldprediger, nebst einem ganzen Sack voll anderer Bücher eingepackt und fortgenommen.
Krieg und Ungemach hatten die Herzen bei vielen verhärtet, und so sah man in diesen Zeiten des Jammers neben den Beispielen der Wohlthätigkeiten und Frömmigkeit, leider auch Beispiele großer Verdorbenheit und unmenschlicher Rohheit.
Leider lassen sich für die Züge der Wohlthätigkeit fast keine Namen und nur wenige Beispiele anführen. Häufig dagegen wurde in der damaligen Zeit, wie die alten Acten ausweisen, von unbekannter Hand dem Pfarrer Frucht (Getreide), oder Brod oder Geld zur Austheilung unter die Armen übergeben. Jacques Chastignieur, Herzoglicher Parforce-Jäger, der mit 80, um schweres Geld aus Frankreich für den Herzog erkauften Jagdhunden, im Kloster seinen Sitz hatte, zeichnete sich besonders durch solche Gaben der Mildthätigkeit aus, legirte nach seinem Tode (1703) 10 fl (Gulden) in das Almosen und ließ Kanzel und Altar neu kleiden. Überhaupt war er ein wackerer Waidmann, der von allem Übermuthe weit entfernt war.
Philipp Ulrich, der Sohn des in Orléans geborenen Jacques Chastignieur, heiratete 1707 die vom Murrer Schlössle stammende Maria Magdalena Halbmayer. Ihre Eltern, Carl Valentin Halbmayer und Anna Regina Müller, sind meine 7-fachen Urgroßeltern, die 1695 aus dem Raum Heidenheim zugezogen sind und das Murrer Schlössle erworben haben.
(Quelle: Geschichte und Topographie des Marktfleckens und ehemaligen Frauenklosters Steinheim an der Murr von M.F.A. Scholl, Pfarrer zu Steinheim - Druck 1826 / die Schreibweise entspricht nicht der gültigen deutschen Rechtschreibung).
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