In der Reformation wurde die Forderung laut, allgemeine Schulen für Jungen und Mädchen einzurichten. Diese Forderung fand naturgemäß in den protestantischen Landesteilen Gehör, also in den meist evangelischen Reichsstädten und in den lutherischen Fürstentümern.
Besonders im Südwesten des Reiches war man, unter der Federführung der bedeutenden evangelischen Reichsstadt Straßburg, die bis zur Eroberung durch Frankreich (1681) zum Reich gehörte, besonders weit voraus. Unter Straßburger Einfluss führte das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1592 als erstes Territorium der Welt die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Knaben ein. Gesetzliche Bestimmungen zur Schulpflicht wurden dann in vielen protestantischen Fürstentümern eingeführt und finden sich in fast allen evangelischen Kirchenordnungen der Zeit. In Württemberg wurde bereits in der großen Kirchenordnung von 1559 eine Schulpflicht festgelegt. Diese betraf allerdings nur den männlichen Teil der Bevölkerung. Die allgemeine Schulpflicht wurde erst 1649 eingeführt.
Schulmuseum Worms-Pfeddersheim
In der Zeit der Aufklärung wurde die Entwicklung beschleunigt. In den katholisch gebliebenen Landesteilen Deutschlands verlief die Durchsetzung dieser Forderungen äußerst zäh. Obwohl im Kurfürstentum Bayern die allgemeine Schulpflicht 1771 verordnet wurde, konnte erst 1802 eine sechsjährige gesetzliche Unterrichtspflicht durchgesetzt werden.
Besonders in der Landbevölkerung stieß die Schulpflicht zunächst auf Widerstand. Die in kleinbäuerlichen Betrieben notwendige Arbeitskraft der Kinder wurde erheblich wichtiger als deren Schulbildung angesehen. So kam es z. B. in der Eifel mehrmals zu heftigen Protesten der Landbevölkerung gegen den Schulbesuch der Kinder.
Der Staat konnte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die gesetzlich geforderte Schulpflicht gar nicht durchsetzen, die Schulpflichtgesetze waren eher Absichtserklärungen. Der Staat verfügte auch nicht über ein flächendeckendes Schulsystem, das allen potentiellen Schülern einen ordnungsgemäßen Schulbesuch ermöglicht hätte. Es fehlten Schulgebäude, Lehrer und vor allem eine staatliche Kultusbürokratie.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde systematisch daran gearbeitet, schrittweise bessere Voraussetzungen zu schaffen. Seit 1919 schrieb die Weimarer Verfassung die allgemeine Schulpflich für ganz Deutschland fest, von 1938 bis 1945 galt das Reichsschulpflichtgesetz. Mit der Einführung des Grundgesetzes ging es in die Landesgesetzgebung über.
Wie stand es um die Qualifikation der Lehrer? Im Alter von 17 Jahren begann Hieronymus Bärlin in Steinheim den Dienst als Schulmeister, Mesner und Organist. Er übte diese Ämter 48 Jahre lang aus, war anschließend noch 3 Jahre Schultheiß in Steinheim. Mit 17 Jahren bereits Lehrer? Heute unvorstellbar! - Hieronymus ist der Sohn meiner 6-fachen Urgroßeltern Philipp Ludwig Bärlin und Anna Margaretha Vöckhelin.
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