"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Samstag, 19. Mai 2018

"Gerechtigkeit und Friede liebe ich" - Fünf Jahre 'Back to the Roots'

Vor genau 5 Jahren begann ich diesen Blog, der erste Beitrag war über die Hankertsmühle im Rottal bei Mainhardt im Schwäbischen Wald. Heute schreibe ich wieder über die Hankertsmühle, es ist mein 374. Beitrag auf diesem Blog. In diesen 5 Jahren kamen weitere Informationen über die Mühle meiner Vorfahren Klenk hinzu.
Und fast auf den Tag genau fand ich in der Südwest Presse einen Zeitungsartikel über die Hankertsmühle mit dem Titel: "Ein Hort der Erholung und des Grauens".
Und auch hier stellt man wieder fest, dass früher nicht alles besser war, wie wir oftmals unüberlegt vor uns hinsagen. Im Gegenteil, es waren grausame Zeiten. Die Unterlagen in den Archiven erzählen von Mord und Totschlag, Hunger, Krankheit und Not in der Mühle. - Nach der Schlacht bei Nördlingen im September 1634 verwüsteten herumziehende Soldatentruppen das Land, auch die Hankertsmühle wurde geplündert, dem Müller Lienhardt Klenk der "Schwedische Trank" gewaltsam eingeflößt. In einem Brief ist die Rede von "ain Korn Simri Wasser", das sind 22,153 Liter Flüssigkeit, vermutlich Jauche.
Lienhardt hat diese grausame Tortur nicht lange überlebt. Ob er direkt an den Folgen oder danach an Hunger oder Pest starb, die ebenfalls grassierte, ist nicht überliefert. Gott habe ihn schließlich und "etliche" seiner Kinder von ihren Qualen erlöst, heißt es in einem Brief von Jacob Wieland, der die Mühle 1640 zusammen mit seinem Schwiegervater Jacob Dietrich gekauft hat. Lienhardts Frau und zwei Kinder haben offenbar überlebt.


Zu den wenigen Überresten der Mühle gehört eine Sandsteinsäule mit der von den Wielands stammenden Inschrift: "Gerechtigkeit und Friede liebe ich".

Nicht weit entfernt von der Hankertsmühle verlief der Limes, die Außengrenze des Römischen Reiches mit einem Kleinkastell. In den nächsten Wochen liegt mein Fokus auf der Römerzeit. Die Recherchen beginnen nächste Woche mit "Salben und Düfte der Antike" am Limestor Dalkingen. Dieses einzigartige römische Triumphalmonument am Obergermanisch-Rätischen Limes zählt zu den eindrucksvollsten Ruinen. "Salben und Düfte der Antike" gehören zum Kinderprogramm des Limesmuseum Aalen und ist für mich Vorbereitung auf meine Betreuertätigkeit beim nächsten Sommerferienprogramm in Marbach/Neckar mit dem Thema "Zeitreise". Im Schwäbischen Wald und auf der Ostalb gibt es vielerlei Spuren der Römer: Grenzzäune, Wachttürme, Kastelle und Museen mit freigelegten Grundmauern denen ich bisher keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt habe.


Wachtturm bei Geißelhardt


Doppelt lebt, wer auch Vergangenes genießt.

- Marcus Valerius Martial, römischer Dichter - 



Dienstag, 15. Mai 2018

Schwäbisch Hall - Kruzifix in St. Michael

Die Michaelskirche, die mit ihrer berühmten Treppe majestätisch über dem Marktplatz thront, wurde am 10. Februar 1156, im Jahr nach der Kaiserkrönung des Staufers Friedrich Barbarossa, vom Bischof von Würzburg  als romanische Basilika geweiht. 



St. Michael mit der berühmten Treppe
 auf der im Sommer Freilichtspiele stattfinden


Zu den herausragenden Werken der spätgotischen Kunst im Innern der Kirche gehört das überlebensgroße Kruzifix des Ulmer Bildhauers Michel Erhart. Es ist signiert und 1494 datiert.



Kruzifix von Michel Erhart - anno 1494

Michel Erhart, Bildhauer der Spätgotik, gehört zu meinen berühmten Vorfahren aus Ulm. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass die Werke der Erharts nach über 500 Jahren noch sehr gut erhalten sind und in Kirchen und Museen besichtigt werden können. 


Dienstag, 8. Mai 2018

Steinheim - das Lämmle & die Lovestory

Das Lämmle vom Gasthaus Lamm in Steinheim stand einst auf einer "Nase" an der Fassade des Gasthauses und ist vor etwa 55 Jahren verschwunden. Nach einem Beitrag zur Heimatkunde über Gasthäuser in Steinheim aus dem Jahr 2011 soll es in einem Marbacher Garten sein.


das Lamm vom Gasthaus Lamm

Vor ein paar Wochen ist das alte Lämmle in Marbach "entlaufen" und hat bei mir eine neue Heimat gefunden. Aber wie kommt das Steinheimer Lämmle in einen Marbacher Garten?
Die kleine Traude, Jahrgang 1928, kam mit ihrem Vater, dem Marbacher Sattler Oscar Hammer, per Fahrrad oft durch Steinheim und sie erfreute sich immer wieder an dem Anblick des Lämmle am Gasthaus Lamm gegenüber dem Rathaus. Vater Oscar musste vor dem Gasthaus anhalten, damit seine Traude bei jeder Fahrradtour "ihr Lämmle" bewundern konnte.

Inzwischen erwachsen geworden und jung verheiratet, kam Traude nach Steinheim und ihr geliebtes Lämmle stand nicht mehr auf seinem Platz. Sie war enttäuscht, das Lämmle aus Kindertagen nicht mehr anzutreffen. Ihrem jungen Ehemann Walter tat seine junge Frau so leid, dass er am Gasthaus klingelte um sich nach dem Verbleib des Wirtshausschildes zu erkundigen.
Eine Frau kam ans Fenster und rief herunter "mir hend gschlossa." - "Wo ist das Lämmle", wollte Traude wissen. Die alte Dame ging mit Traude und Walter in den rückwärtigen Stall und dort stand das Lämmle in einem Futtertrog. Die Freude über das Wiedersehen war riesengroß. Da der Gasthausbetrieb eingestellt war, aber immer wieder hungrige und durstige Leute im Gasthaus einkehren wollten und an der Haustüre klingelten, wurde das Lämmle entfernt. Walter erwarb das Lämmle und es fand bei ihm und Traude ein neues Zuhause.

Im Jahre 1966 wurde das Gasthaus Lamm wieder eröffnet, das alte Wirtshausschild war aber unauffindbar, ein neues Lämmle wurde am Gasthaus angebracht. Als wir 1967 die Konfirmation meines Bruders im Lammsaal feierten wusste ich noch nichts vom verschwundenen Lämmle. Einige Jahre später sah ich das Lämmle im Garten bei Traude und Walter. Die Künstlerin hatte ihr Leben lang Freude an ihrem Steinheimer Lämmle das jahrzehntelang über den Gartenteich hinweg in ihr Wohnzimmer blickte. Wir waren immer wieder fasziniert wenn Traude ganz theatralisch über die Sonntagsausflüge mit ihrem Vater und von ihrer Enttäuschung über das fehlende Lämmle erzählte, wie sie mit der früheren Lammwirtin in den Stall ging und wie sie sich freute als sie das Lämmle im Futtertrog entdeckte. Noch größer war ihre Freude als sie das Lämmle mit nach Hause nehmen durfte. 

In Steinheim wusste man, dass das alte Lämmle vom Lamm in einem Marbacher Garten steht. Aber wo genau wusste zum Glück niemand. Ich behielt dieses Geheimnis samt der „Lovestory“ für mich um zu verhindern, dass man Traude das Lämmle abschwätzte.
Im Oktober letzten Jahres ist Traude im Alter von 89 Jahren verstorben, bis zu ihrem Todestag waren sie und das Lämmle unzertrennlich, ihr geliebtes Lämmle aus Steinheim war über 50 Jahre lang immer in ihrer Nähe.


die Restauration beginnt

Das Lämmle hat einige Blessuren, das alte Bodenbrett muss ersetzt werden, die Muttern an den rostigen Schrauben sind nicht mehr zu öffnen, ein Huf ist beschädigt und die Beulen müssen aus dem Blech gezogen werden.


die Hufe werden restauriert



Der goldfarbene Anstrich sollte entfernt und das Lämmle vergoldet werden. Unter der Goldfarbe kam jetzt ein roter Anstrich hervor. War das Lämmle nicht golden sondern rot? Können sich alte Steinheimer noch an das Lämmle erinnern? Ich machte mich auf die Suche während das Lämmle auf dem Weg in eine Dorfschmiede war um an den Hufen  repariert zu werden. Zwei Steinheimer, Mitte 70, können sich noch gut an das Lämmle erinnern. Rot? Nein, rot war es nicht, eher grünlich-grau. Grünlich-grau? Vermutlich durch die Oxydation des Kupferkörpers. Einer der Informanten wohnte als Bub über der Gaststätte, seine Großeltern waren damals die Wirtsleute im Lamm, der Opa starb 1960, die Oma im Jahr 1964. Es war wohl seine Oma von der Traude das Lämmle bekommen hat.
Er erinnerte sich auch, dass immer mal wieder Post mit der Anschrift "Zum goldenen Lamm in Steinheim" ins Haus kam. Also war das Lämmle doch vergoldet!

Das Gasthaus Lamm hat seit 1598 eine Herbergskonzession. Wie alt das Wirtshausschild ist, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Es gibt noch eine etwa 200 Jahre alte Chronik in Privatbesitz. Die Recherche und Restauration geht also weiter.