"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Dienstag, 18. September 2018

Urach - Herberge 'Zum Goldenen Kreuz'

Einer meiner Lieblingsplätze im Südwesten ist das Café vom Beckabeck auf dem Uracher Marktplatz. Bei einer Sommertour auf die Schwäbische Alb gehört das Frühstück beim Beckabeck einfach dazu bevor die Fahrt auf die Albhochfläche geht. Der Uracher Marktplatz mit den mittelalterlichen Fachwerkhäusern ist einer der schönsten Marktplätze in Süddeutschland.
Und wenn auf dem Marktplatz beim Open-Air-Gottesdienst das uralte Lied von Paul Gerhard "Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerszeit ..." erklingt, kann ein Sonntag nicht perfekter sein.
Am Marktplatz befindet sich auch das Alte Oberamt, das in der Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut wurde. 1568 wurde das Gebäude zur Herberge "Zum Goldenen Kreuz". Von 1812 bis 1938 hatte das Gebäude die Funktion des Oberamts.


Gasthaus "Zum Goldenen Kreuz" und später Oberamt Urach

Anno 1619 ist mein Vorfahre Johannes Spring, Fuggerscher Präfekt auf Burg Stettenfels und späterer Pfarrer in Oberstenfeld und Murr, in Urach geboren. Conrad Spring (1503 - 1583), Urgroßvater von Johannes Spring, ist Metzger und Gastgeber (Wirt) "Zum Goldenen Kreuz" gewesen: 'Er hat Haus und Herberge neben dem Kantengießer Eberhard Hüttenschmied'. - Zudem war er Armenpfleger, Ratsherr, Gerichtsverwandter und Hauptmann des ersten Stadtfähnleins (= Bürger der Stadt).
Dass ein familiärer Bezug zur ehemaligen Herberge "Zum Goldenen Kreuz" am Uracher Marktplatz besteht weiß ich erst seit heute. - Künftig wird das Albfrühstück beim Beckabeck mit Blick auf das Haus meiner Vorfahren noch viel besser munden.


.  M  .


Donnerstag, 13. September 2018

Pleidelsheim 1693 - Hans Jacob Hoffmann

Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688 - 1697) lagerte das große französische Heer im Sommer 1693 etwa 5 Wochen bei Großbottwar, Steinheim und Pleidelsheim. Ganz Pleidelsheim suchte sein Heil in der Flucht und hat sich nach den Angaben des Kirchenbuches erst am 7. September "wieder zur Kirch" nach Haus begeben. Die Not war groß, die Häuser waren zerstört, die Feinde hatten alles Eßbare geplündert oder vernichtet. Die große Hungersnot ließ in den Dörfern ganze Geschlechter aussterben.

Mein 8-facher Urgroßvater Hans Jacob Hoffmann (*um 1642 in Annaberg, Sachsen) blieb, wie dem Kirchenbuch zu entnehmen ist, mit seiner Familie in Pleidelsheim. Im September 1693 ist er, seine zweite Ehefrau Anna Schuler (*um 1658 in Sargans, Schweiz) und sein Sohn Johann Conrad (*1691 Pleidelsheim) innerhalb von 8 Tagen verstorben.
Der Pleidelsheimer Pfarrer erachtete es offensichtlich für wichtig, nicht nur den Todestag und das Alter des Verstorbenen zu vermerken, durch seinen Eintrag im Totenregister wissen wir heute, 325 Jahre nach dem Todestag von Hans Jacob, dass er ein "ungetreuer Unterthan und böser Bürger" gewesen ist:
Jacob Hoffmann, der unter den Franzosen geblieben, ein ungetreuer Unterthan und böser Bürger ist bald hernach gestorben 28. Sept. alt 51 Jahr - 

Was ist für den Pfarrer ein ungetreuer Untertan und böser Bürger? War Hans Jacob kein emsiger Kirchgänger und/oder hat er als Untertan gegen Unrecht und Unterdrückung rebelliert? 
Die Lebensumstände prägen den Menschen. Hans Jacob ist während des 30-jährigen Krieges in Sachsen geboren. Sachsen, damals Kur-Sachsen, wurde von Schlachten, Feldzügen und marodierenden Soldaten, aber auch von Hunger und Pest in einem Ausmaß zerstört, das heute kaum noch vorstellbar erscheint. In welchem Alter Hans Jacob nach Württemberg kam ist nicht mehr festzustellen. Er wird erstmals 1663 genannt. Am 17. Februar 1663 heiratete Hans Jacob die in Pleidelsheim lebende Anna Barbara Schaaf, Witwe des Alexander Franz.
Trotz allem muss ich schmunzeln. Hans Jacob ist nur ein ganz ganz kleiner Teil von mir, er war mir beim lesen des Kirchenbuches sofort sympathisch. Ich bin keine Kirchgängerin, betrachte das Tun der Kirchen sehr kritisch und ich würde mich auch nicht für eine treue Untertanin eignen. - Freiheit ist das höchste Gut der Menschen !

.  M  .


Pleidelsheim anno 1686
Forstlagerbuch Andreas Kieser