"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Samstag, 5. März 2016

Leonhard Krauth - vom Odenwald zu Sotheby's New York

Leonhard Krauth stammt aus Eberbach im Odenwald, ist dort am 24. Januar 1805 als Sohn des Heubinders Daniel Krauth und seiner Ehefrau Esther Margarethe Stumpf geboren. Er erlernte das Schlosserhandwerk, arbeitete als Werkführer bei der Firma Vetter in Stuttgart, danach war er in Calmbach und Sindelfingen als Uhrmacher tätig. Aus dem Familienregister Sindelfingen geht hervor, dass er als Schlosser und Mechaniker nach Calmbach kam und 2 bis Jahre 3 später als Klein- und Großuhrmacher nach Sindelfingen umgezogen ist.
In der Stuttgarter Sankt Leonhardskirche heiratete Leonhard Krauth am 5. Februar 1837 die Stuttgarterin Margarete Friederike Schleehauf (*1806 – 1882 Birmingham). Vor der Heirat beantragte der Bürger Leonhard Krauth aus dem Großherzogtum Baden die Einbürgerung in das Königreich Württemberg. Darüber gibt es im Landesarchiv Ludwigsburg zwei Archivalien. Die beiden Büschel enthalten u.a. seine Arbeitszeugnisse vom Stuttgarter Hofschlosser Heinrich Loose und von der Stuttgarter Blechwaren- und Löffelfabrik Friedrich Vetter.
Die Kinder Gustav Adolph (1836), August Julius Ernst (1838) und Johann Christian Albert Rudolph (1840) sind in Stuttgart geboren. Von 1841 bis 1843 lebte die Familie Krauth in Calmbach, Oberamt Neuenbürg. Dort erblickte die Tochter Christiane Pauline 1842 das Licht der Welt. Ab 1843 lebte Krauth mit seiner Familie als Klein- und Großuhrmacher in Sindelfingen. Dort wurden die Söhne Christian Friedrich Albert (1845) und Christian Friedrich Theodor (1847) geboren. Am 1. Juni 1880 ist Leonhard Krauth in Sindelfingen verstorben, wenige Wochen später ist seine Witwe mit dem jüngsten Sohn nach Birmingham gereist und dort 1882 verstorben. (aus dem Familienregister Sindelfingen Band 24)
Wir wissen nicht wie viel Uhren Krauth hergestellt hat, drei Uhren sind in den letzten Jahren bei einem Uhrmacher zur Reparatur „gelandet“, zwei davon tauchten auch bei Auktionshäusern auf. Krauth ist in Uhrmacherkreisen ein Unbekannter. Weil er aber technisch aufwendige Klein- und Großuhren herstellte, hat er unsere Neugier geweckt und inzwischen habe ich seinen Ur-Ur-Ur-Urenkel aus England "online" kennengelernt. 
Seit einigen Jahren sind also nur eine Standuhr mit einem Präzisionspendelwerk, eine Biedermeier-Skelett-Uhr und eine Taschenuhr in einer Schnupftabakdose bekannt. Aber vor wenigen Tagen fand ich im Online-Auktionskatalog bei Sotheby’s New York eine weitere Uhr die 2013 versteigert wurde; sie ist der bereits bekannten Uhr in der Schnupftabakdose sehr ähnlich.
Die Standuhr mit dem Präzisionspendelwerk wurde 2011 vom Auktionshaus Crott in Frankfurt angeboten, Schätzpreis 20.000 – 25.000 Euro. Das Alter der Standuhr wurde (irrtümlicherweise) auf 1790 geschätzt: Aufgrund der konstruktiven Details und der räumlichen Nähe Sindelfingens zu Echterdingen kann man bei dieser Uhr davon ausgehen, dass eine enge Verbindung zu Philipp Matthäus Hahn in Echterdingen bestanden haben muss. Es ist zu vermuten, dass Krauth sein Handwerk bei Hahn erlernt hat. – Diese Annahme wird durch das Geburtsjahr 1805 widerlegt und der berühmte Philipp Matthäus Hahn lebte von 1739 bis 1790.

 

Auktionshaus Crott - Präzisionspendeluhr in Nußbaumgehäuse
- besitzt ein Sammler in Norddeutschland - 


Die Biedermeier-Skelett-Uhr unter Glassturz wurde 2004 im Auktionshaus Nagel in Stuttgart für 1.600 Euro versteigert. Die Beschreibung im Auktionskatalog lautete: lyraförmiger Messingfuß auf ovalem Sockel mit Scherenhemmung, großem Stiftenrad, eigenwilliger Schlagwerkskonstruktion mit Tonfeder im Sockel. Höhe 51 cm, Schätzpreis 1.400 Euro / deutsch, um 1830, Bez. „L.Krauth, Sindelfingen“



Auktionshaus Nagel - Biedermeier-Skelett-Uhr
- besitzt ein Sammler in Süddeutschland -

Sotheby’s in New York versteigerte im Jahr 2013 bei der Auktion „Important Watches and Clocks“ ein Konvolut mit two snuff boxes with concealed watches für 5.625 US-Dollar. Eine dieser in Schnupftabakdosen verborgenen Uhren ist von L. Krauth: silver gilt, late 19th century, of rectangular form, the lid opens to reveal the movement, lever escapement below a white enamel dial, Roman numerals, the plates engraved with scrolls all visible through a glazed shaped opening,  the box decorated  with scrolls over engine-turned ground, lenghts 70 mm.


Sotheby's New York: snuff box with a concealed watch
weitere Fotos zu dieser Uhr bei  1stdibs.com



Taschenuhr in einer Schnupftabakdose
- besitzt ein Sammler in Süddeutschland - 



Signatur "L. Krauth"


Leonhard Krauth war ein talentierter Uhrmacher und dennoch ist er in Fachkreisen ein Unbekannter. Einem seit über 4 Jahrzehnten tätigen Uhren-Auktionator ist Leonhard Krauth kein Begriff. Er erscheint auch nicht in dem Buch "Watchmakers & Clockmakers of the World", aber seine Söhne in Birmingham und Quebec/Montreal werden genannt. Auch die irrtümliche Verbindung zu Philipp Matthäus Hahn aufgrund der konstruktiven Details der Standuhr gibt Rätsel auf.
Möglich ist, dass Leonhard Krauth, der in seinen ersten Ehejahren in der Stuttgarter Torstraße wohnte, bei den Söhnen von Philipp Matthäus Hahn und/oder bei dem späteren Werkstattinhaber August Bacher gearbeitet und sich dort das Uhrmacherhandwerk angeeignet hat. Nach dem Tod des Vaters (1790) haben die Gebrüder Hahn in der benachbarten Eberhardstraße 37 (früher: Langer Graben 365) eine Uhrenwerkstatt eröffnet. Sie konzentrierten sich hauptsächlich auf die Konstruktion und Wartung von Uhren, vor allem von Taschenuhren. Uhrmacher August Bacher übernahm die Werkstatt nach dem Tod von Hahn im Jahr 1833. Aus einem Katalog des Auktionshauses Dr. Crott: We know of several high quality watches made by Bacher, some of which have been created in the tradition of Hahn. - Damit ist dann auch geklärt weshalb die Standuhr ursprünglich älter geschätzt wurde und eine enge Verbindung zu dem berühmten Philipp Matthäus Hahn angenommen wurde.
Die Recherchen zusammen mit einem Uhrmacher und einem Ur-Ur-Ur-Urenkel von Leonhard Krauth, der in England lebt, ergeben einen guten Einblick in das Leben und Wirken des Uhrmachers Leonhard Krauth.
Vielleicht ist Irgendjemand draußen in der Welt der auch nach Leonhard Krauth sucht, der mit Leonhard Krauth verwandt ist oder weiteres Wissen über den Uhrmacher hat; der/die möge sich doch bitte mit mir in Verbindung setzen.

Irgendwie beneide ich die Krauths (Ur-Ur-Ur-Enkel, Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel und Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel) wenn sie in Kürze nach Deutschland kommen um eine vor mehr als 150 Jahren angefertigte Kaminuhr ihres Vorfahren im Original bewundern zu können. - Für mich ist das dann der Tag wo ich sagen kann: Well done, eine wirklich gelungene Zusammenarbeit vom Badischen, über Württemberg bis nach England !

(aktualisiert Juli 2018)

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