"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Dienstag, 16. Juli 2019

Wir schweigen nicht, denn damit hätten seine Mörder ihr Ziel erreicht

Der Tod meines Schwiegeropas jährt sich heute zum 79. Mal. Es war kein natürlicher Tod obwohl in seiner Sterbeurkunde vermerkt ist: verstorben an 'Herzschlag'.
Und nicht nur der Todesort Hartheim bei Linz (Oberdonau) wurde gefälscht, auch der Todestag, der 29. Juli 1940 und 'in der Wohnung verstorben' ist mehr als makaber.
Adolf N. wurde am 16. Juli 1940 in Grafeneck von den Nationalsozialisten grausam ermordet: vergast und verbrannt. An diesem Sommertag wurden auf der Schwäbischen Alb weitere 74 Männer aus der Heilanstalt Weinsberg ermordet. Auch an den folgenden Tagen, Wochen und Monaten ging das systematische Morden weiter. Im Jahr 1940 wurden in Grafeneck 10.654 Menschen in den Tod geschickt.

Wo war eigentlich der "liebe Gott", wo die Kirchenfürsten? Diese Frage kommt zwangsläufig wenn man sich mit der T4-Aktion beschäftigt. Und wo waren die Ärzte, die eigentlich der Menschlichkeit verpflichtet sind?
Angehörige haben ihre behinderten Kinder oder andere Familienangehörige in gutem Glauben kirchlichen Einrichtungen anvertraut und wussten nicht, wie dort vielfach über diese Menschen gedacht wird.
Die Geistlichkeit und der Nationalsozialismus ist ein dunkles Kapitel deutscher Kirchengeschichte. Nur wenige Pfarrer, Diakone und Bischöfe besaßen den Mut und die Einsicht, von der Kanzel gegen das Regime zu predigen. Nur wenige wehrten sich gegen das Programm zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens". Und nur wenige kritisierten später den Massenmord an den Juden.
Und Ärzte, die eigentlich der Menschlichkeit verpflichtet waren, stellten sich mit der Euthanasie in den Dienst eines menschenverachtenden und menschenvernichtenden Tötungsprogramms. Es waren Ärzte, die in Grafeneck den Gashahn aufgedreht haben. Die Landesärztekammer hat zu Beginn des Jahres 2018 in Grafeneck einen Gedenktag abgehalten. Auf einer Tafel bekennen sie sich zur Schuld der Ärzte an den Verbrechen. Die Landesärztekammer hat sich zuvor nicht dazu geäußert.

Die Ermordung wehrloser Menschen lässt sich in keiner Weise mit dem hippokratischen Eid verbinden. Dennoch waren diese Ärzte nicht der Ansicht, Unrecht zu tun. Die Nazis sahen alle Menschen, die auf den ersten Blick keine sinnvolle Tätigkeit verrichten konnten als "nutzlose Esser" und sie sprachen von "unwertem Leben". Der "Gnadentod" wurde im Sinne von Heilung interpretiert. Die wenigsten Ärzte haben später Reue gezeigt.


Auch zum 79. Todestag fahren wir nach Grafeneck und wir werden auch weiterhin nicht schweigen, denn damit hätten die Mörder ihr Ziel "das Vergessen der Vernichtung  ist Teil der Vernichtung selbst", erreicht.


.  M  .



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