Zu Beginn des Jahres werden Reisepläne geschmiedet. Mein wichtigstes Ziel im neuen Jahr ist Belarus. Ein blutgetränktes Land, Architektur aus der Stalin-Zeit, mit großen Festungsanlagen und Urwäldern. In dem osteuropäischen Binnenstaat regiert seit 25 Jahren Aljaksandr Lukaschenko, der letzte Diktator Europas.
Seit Beginn der Operation Bagration wird mein Großvater Rudolf K. an der Ostfront 1944 vermisst. Nach Öffnung der Grenzen zu Russland begann ich mit der Suche nach Informationen über meinen vermissten Großvater. Seine sterblichen Überreste wurden bisher nicht gefunden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch sterbliche Überreste der gefallenen Soldaten an den ehemaligen Kriegsschauplätzen gefunden werden, die Chance ist jedoch sehr gering.
Vor drei Jahren habe ich den Beitrag 12.1.44 - Brückenstützpunkt "Erlkönig" im Osten geschrieben. Inzwischen wurde eine Spruchkammerakte gefunden, die für Verwirrung sorgte. Er hat den Krieg nicht überlebt und trotzdem die Entnazifizierung? Mein Großvater war Beamter bei der Reichsbahn. Wegen Pensionsansprüchen seiner Witwe an die Reichsbahn war eine Verhandlung vor der Spruchkammer erforderlich. Mein Puls wurde schneller als ich die Akte im Lesesaal des Staatsarchivs Ludwigsburg, in dem 500.000 Spruchkammerakten gelagert werden, in Empfang nahm. Der Umfang der Akte war mehr als ich erwartet habe. Unter Anspannung blätterte ich im Lesesaal Seite für Seite um und ich hab mich kaum bewegt, so hat mich die Akte in ihren Bann gezogen. Was werde ich lesen? Wird sich das sehr positive Bild meines Großvaters verändern?
In der Akte befand sich ein Bogen mit mehr als 100 Fragen die meine Großmutter nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet hat, ein Passfoto, ein Fragebogen zur Person der bei der Einberufung 1943 erstellt wurde: 177 cm groß, 65 kg schwer, Schuhgröße 42, mittelbraune Augen, athletisch, Rasse vorwiegend nordisch.... Die Anfragen an das Arbeitsamt und die Verwaltung seiner Heimatgemeinde waren positiv: Nachteile sind nicht bekannt, ein sehr anständiger und zurückhaltender Mann, in Parteiuniform hat man ihn nicht gesehen. - Das Verfahren wurde eingestellt.
Minsk - Ruhmeshügel
Die Rundreise beginne ich in Minsk und folge dem Weg den mein Großvater zurückgelegt hat: Witebsk, Orscha, Mogilev, Bobruisk und Karma (Korma) wo sich seine Spur verliert: "Vermisst seit dem 25. Juni bei Korma/ Raum Bobruisk/UdSSR". - 1961 wurde er laut Beschluss des Amtsgerichtes mit Wirkung vom 31.12.1945 für tot erklärt.
Im Gedenkbuch des deutschen Soldatenfriedhofes Schatkowo, nördlich von Bobruisk, nicht weit von der Beresina, ist sein Name eingetragen. Der Fluss ist bekannt durch die gleichnamige Schlacht von 1812 als die Grande Armée Napoleons dort auf dem Rückzug gegen die Truppen des Zaren kämpfte.
Letzte Ruhe in Schatkowo
. M .
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