"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft." - Wilhelm von Humboldt

Dienstag, 7. Juli 2020

Diese Zelle ist ein Loch - Lina Haag

Auf meinem Weg vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart ins Dorotheenquartier komme ich am Hotel Silber vorbei, das ganz knapp dem Abriss zugunsten eines Einkaufs- und Wohnviertels im Herzen der Stadt Stuttgart entgangen ist.
Ich habe die ehemalige Gestapo-Zentrale bereits nach der Eröffnung im Dezember 2018 besucht. Meine Schritte werden auch heute wieder langsamer je näher ich dem Eingang komme. Ich stemme die schwere Türe auf, gehe schnurstracks durch das Entrée, den langen Flur Richtung Treppenhaus entlang und hinunter in den Keller. Auch heute bin ich wieder alleine im Kellergeschoss, wo einst Festgenommene auf das Verhör durch die Geheime Staatspolizei gewartet haben.



ehemalige Verwahrzellen im Keller des Hotel Silber





diese Zeilen sind von Lina Haag, entnommen aus ihrem Buch
Eine Hand voll Staub - Widerstand einer Frau 1933 - 1945

Ihr Buch zeugt vom Widerstandswillen einer Einzelnen und ist aber auch eine Liebesgeschichte ganz eigener Art. In Form eines Briefes hat Lina Haag 1944 ihre Erinnerungen an die Zeit ab 1933 festgehalten. Es ist die Lebensgeschichte einer mutigen Frau, Kommunistin und verheiratet mit dem Journalisten Alfred Haag (1904-1982), der 1930 als jüngster KPD-Abgeordneter in den Stuttgarter Landtag gewählt worden war. 1933 wurde Alfred Haag von den Nationalsozialisten verhaftet. Aus dem KZ Oberer Kuhberg bei Ulm kam er 1935 nach Dachau und von dort ins berüchtigte KZ Mauthausen. Lina Haag wurde ebenfalls jahrelang in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern festgehalten und gepeinigt. Nach ihrer Freilassung schaffte sie es mit dem Mut der Verzweiflung zu Heinrich Himmler vorzudringen, dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, um dort für die Freilassung ihres Mannes zu kämpfen. Sie hatte Erfolg - doch wurde ihr Mann nach der Freilassung zur "Bewährung" an die Ostfront geschickt. Er kehrte erst 1948 aus einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager zurück. 

1947 wurde "Eine Hand voll Staub" als eines der ersten Dokumente des Widerstandes veröffentlicht.

Die letzte Auflage ist aus dem Jahre 2004. Die Generation der Zeitzeugen stirbt und die Erinnerungskultur wird sich verändern. Gerade deshalb empfehle ich jungen Menschen dieses Buch zu lesen. Lina Haags Leben fasziniert, berührt und fesselt zu gleich. Es wäre ein Verlust dieses Buch nicht zu lesen!



.  M  .

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